Amnestie durch die Hintertür
Martin Ling über die täternahe Aufarbeitungspolitik von Argentiniens Regierung
Die rechte Regierung Macri in Argentinien testet weiter die Grenzen des Revisionismus aus: Die Geschichte der Verbrechen der Diktatur von 1976-83 soll umgeschrieben werden. Die vorzeitige Entlassung des obersten Militärarztes Noberto Bianco am Wochenende, der wegen systematischen Raubs von Neugeborenen verurteilt wurde, ist dafür nur ein weiteres Beispiel.
Bianco profitierte von einem Gesetz aus dem Jahre 1994, das 2001 aufgehoben und erst vergangenen Mittwoch vom Obersten Gerichtshof per Mehrheitsbeschluss wieder in Kraft gesetzt wurde. Es erlaubt die doppelte Anrechnung von Untersuchungshaft auf die Gesamtstrafe. Die Kehrtwende in der Rechtssprechung wurde erst durch die Neubesetzung des Obersten Gerichtshofes mit zwei rechtskonservativen Richtern ermöglicht. Mit Biancos Freilassung wurde ein Präzedenzfall geschaffen, aufgrund dessen noch 350 weitere Schergen aus der Diktatur vorfristig auf freien Fuß kommen könnten.
Macris täternahe Aufarbeitungspolitik kommt demnächst nach Deutschland: Der neue Sonderbotschafter zur Förderung der argentinischen Kultur hierzulande heißt Darío Lopérfido: »Ich habe keine Probleme damit, wenn ich sage, dass es in Argentinien keine 30 000 Verschwundenen gab, es war eine Lüge.« Während die argentinischen Menschenrechtsorganisationen und die Exilgemeinde Sturm laufen, schweigt Berlin von Merkel bis Steinmeier.
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