Linkspartei: Digital kann besser

Fraktionschefs setzen auf Potenziale für Fortschritt: Automatisierung könnte Verteilung der Arbeit gerechter machen / Warnung vor »bequemer Antihaltung«

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Führende Abgeordnete der Linkspartei haben davor gewarnt, »angesichts negativer Entwicklungen« im Zuge der Digitalisierung von Arbeitswelt, Gesellschaft und Alltag »in eine bequeme Antihaltung« zu verfallen. Dies verstelle »die Sicht auf Potenziale für gesellschaftlichen Fortschritt«, heißt es in einer Erklärung der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Linkspartei. Man könnte ein dazu passendes Motto einer Platte der linken Hamburger Band »Tocotronic« entlehnen: Digital kann besser.

Nach der Sitzung in Magdeburg hieß es zudem, es sei »falsch, in einen Technik- oder Marktdeterminismus zu verfallen«. Progressive linke Politik greife »inhaltlich gestaltend« ein und denke »soziale Innovation mit«. Man sehe in Digitalisierung »die Chance, den sozial-ökologischen Wandel voranzutreiben. Die Digitalisierung muss weder bekämpft noch verwaltet, sondern gestaltet werden«, so die Fraktionschefs.

Zuletzt hatte das Thema bereits Ende März bei einer Fraktionssitzung im Bundestag eine Rolle gespielt. Grundlage für die dortige Debatte war ein von der AG Digitalisierung erstelltes Diskussionspapier mit dem Titel »Arbeit (und Leben) 4.0«. Schon länger liegt die Forderung von Linkenchef Bernd Riexinger auf dem Tisch, eine linke »digitale Agenda« den Debatten und Planungen der Großen Koalition entgegenzusetzen. Das Thema sei geeignet, so Riexinger Ende 2015, »ein eigenes Projekt« zu formulieren, »das ausgehend von Kämpfen um die Gestaltung der Zukunft der Arbeit Perspektiven eines gesellschaftlichen Pfadwechsel, einer großen Transformation über den neoliberalen Kapitalismus hinaus eröffnet«.

Die Erklärung der Fraktionsvorsitzendenkonferenz geht nicht ganz so weit. Man arbeite »an linken Antworten« auf die mit »den Auswirkungen der Digitalisierung in allen Lebensbereichen« verbundenen Fragen. Wenn »Produktionsprozesse, Dienstleistungen und ganze Wertschöpfungsketten durch das Zusammenspiel von Automatisierung, Vernetzung und Datenanalyse verändert werden«, bestehen darin einerseits Chancen - andererseits komme es zu erhöhtem »Wettbewerbs- und Rationalisierungsdruck und damit einhergehend« zu Rufen nach Flexibilisierungen und Liberalisierungen.

Während das eine eher auf die Förderung von strukturschwachen und ländlichen Regionen auf dem digitalen Entwicklungspfad hinausläuft und das andere linke Kräfte zu einer Defensive gegen neue Angriffe auf das Normalarbeitsverhältnis zwingt, sehen die Fraktionschefs allerdings auch beim Thema Digitalisierung angesichts der Produktivkraftzuwächse - die unter Experten durchaus umstritten sind - »die Möglichkeit, die grundsätzliche Debatte um den Arbeitsbegriff über die Erwerbsarbeit hinaus zu führen. So könnte die Verteilung der Arbeit gerechter gestaltet werden, beispielsweise durch eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Zu untersuchen wäre auch, welche Konsequenzen sich daraus für die Weiterentwicklung und Stärkung sozialer Sicherungssysteme ergeben. Nicht zuletzt bietet die technische Entwicklung die Chance geschlechtergerechte Verhältnisse zu schaffen«, heißt es in der Erklärung.

Konkrete Positionen zu Vorschlägen, die bereits in die Debatte geworfen wurden, etwa eine Automatisierungssteuer oder eine neue Sicht auf das Bedingungslose Grundeinkommen, finden sich in der Erklärung noch nicht. Mit Blick auf die Arbeitswelt heißt es darin lediglich, dass »sich sowohl Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen als auch die Politik dringend damit befassen« müssten. Auch zu aktuellen Debatten wie der über die passende Ethik einer zunehmend automatisierten Welt oder über Roboterrechte wird die Partei noch nachlegen müssen.

Die Fraktionschefs drängen darauf, »städtische Infrastruktur wie Mobilitätsangebote, Wohnen und öffentliche Aufgaben« auch vor dem Hintergrund der Effekte der Digitalisierung »sozial inklusiver, ökologischer und nicht profitorientiert« auszugestalten. »Die Nutzung digitaler, immaterielle Güter soll gemeinwohlorientiert organisiert werden«, heißt es in der Erklärung. »Dies betrifft insbesondere den freien Zugang zu Wissen und Kultur, Informationen und öffentlich erhobenen Daten.«

Über die demokratischen Potenziale der Digitalisierung äußern sich die linken Fraktionsvorsitzenden insgesamt immer noch positiv - »Stichworte wie Fake News und Social Bots« werden »als Negativbeispiele« zwar aufgelistet. »Doch dahinter stehende Umwälzungen haben eine viel größere Dimension und bergen durchaus auch positive Potentiale«, heißt es da mit Blick auf eine alte Hoffnung, die mit dem Internet verbunden worden war. »Das Internet und soziale Netzwerke können Plattformen offener Meinungsäußerung und Diskussion, Demokratisierung und Selbstorganisation bieten.« tos

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