Bei Steuern bleibt Schulz stumm
Auch am Montag wurde kein konkretes Konzept bekannt
Wer vergangenen Donnerstag das »Morgenmagazin« geschaut hatte, wartete diesen Montag umsonst auf aufklärende Worte von Kanzlerkandidat Martin Schulz. SPD-Finanzexperte Carsten Schneider hatte da der Journalistin Dunya Hayali Rede und Antwort zur aktuellen Steuerschätzung gestanden. Als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Nachmittag desselben Tages voraussichtliche Steuermehreinnahmen bis 2021 von 54,1 Milliarden Euro bekanntgab, konnten Politiker aller Parteien mit dem einen oder anderen Wahlkampfversprechen aufwarten. Carsten Schneider blieb nur, auf diesen Montag zu vertrösten. »Da wird Martin Schulz am Montag einen Vorschlag machen«, sagte Schneider, immer wenn er ausführen sollte, wie seine Partei die »hart arbeitende« Bevölkerung entlasten wolle.
Hoffnung, dass dann ein umfassendes Steuerkonzept präsentiert werde, wollte die SPD aber gar nicht erst aufkommen lassen und ließ Schneiders Worte sogleich relativieren: Schulz werde in der Sitzung des Parteivorstands am Montag keinen Detailvorschlag vorlegen. Allerdings würden allgemeine Leitlinien zur Steuerpolitik beraten. Selbst dazu kam es nun nicht. Dabei ist der Mangel an konkreten Aussagen der SPD in Nordrhein-Westfalen bereits zum Verhängnis geworden. Bei einer Umfrage der Infratest-Meinungsforscher zur dortigen Wahl gaben 74 Prozent der Befragten an, dass die Partei nicht genau sage, was sie für soziale Gerechtigkeit tun wolle.
Doch ließen sich nicht alle Sozialdemokraten von dem Redeverbot abhalten, die eine oder andere Wahlkampfforderung in den Raum zu werfen. So erklärte die Chefin des Bundestags-Finanzausschusses, Ingrid Arndt-Bauer, im »Generalanzeiger«, die Kurve im Einkommensteuertarif neu justieren zu wollen: »Am unteren Ende sollte sie weniger steil ansteigen. Am oberen Ende müssen wir die Kurve nach rechts verschieben, so dass man frühestens erst ab circa 60 000 Euro Einkommen den Spitzensatz zahlt.« Zur Gegenfinanzierung ist eine Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 47 oder 48 Prozent im Gespräch. Auch könnte die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge abgeschafft werden.
»In ihrer geltenden Version ist die Erbschaftsteuer eine Farce«, meldete sich auch Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans am Wochenende zu Wort, der zugleich vor zu großen Steuersenkungen warnte. »Wer den Menschen vorgaukelt, dass die sprudelnden Steuerquellen genug Stoff für Steuersenkungen bieten, der verschweigt, dass diese Quellen in einer Zeit von Brexit und Trump-Plänen schnell versiegen können«, schrieb Walter-Borjans laut der »Rheinischen Post« in einem Papier für die SPD-Bundesarbeitsgruppe Steuern.
Und auch wenn SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel Anfang des Jahres der Wiedereinführung einer Vermögensteuer eine Absage erteilte, hält etwa die linke Parteiströmung DL21 an dieser Forderung fest. »Dank der hohen Konzentration von Privatvermögen führt auch die Besteuerung einer sehr kleinen Gruppe von Vermögenden zu hohen Einnahmen«, schreibt diese in einem aktuellen Diskussionsbeitrag zum SPD-Regierungsprogramm.
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