Von Abschiebung bedrohter Afghane aus Haft entlassen
Kritik an Polizeieinsatz gegen Schüler in Nürnberg / Hunderte hatten gegen Zwangsausreise protestiert
Berlin. Nach dem beherzten Widerstand mehrerer Hundert Schüler gegen eine versuchte Abschiebung eines 20-jährigen Afghanen in Nürnberg verlangt die SPD Aufklärung. »Die Videobilder von dem Einsatz sind verstörend«, sagte der Landtagsabgeordnete Horst Arnold. »Ich bin sehr befremdet von dem, was da in und vor der Schule passiert ist. Der Innenminister ist uns und der Öffentlichkeit einige Antworten schuldig.« Seine Kollegin Alexandra Hiersemann zeigte sich »erschreckt« von dem Polizeieinsatz.
Beamte hatten den jungen Mann am Morgen während des Unterrichts an der Berufsschule zur Abschiebung abholen wollen. Mitschüler versuchten daraufhin, den 20-Jährigen zu schützen, unter anderem mit Sitzblockaden. Eine spontane Demonstration wuchs rasch an, die Polizei ging mit großer Härte vor - die SPD-Politiker verwiesen auf Zwangsmaßnahmen, den Einsatz Hunden und Reizgas. Die Polizei sprach von Verletzten in ihren Reihen, behauptete zugleich, der Einsatz von Schlagstöcken habe keine der Schüler verletzt. Es stelle sich die Frage, warum der Einsatz während der Schulzeit angeordnet wurde, so hingegen die SPD.
Als Reaktion auf den Versuch, eine Abschiebung nach Afghanistan mit Polizeigewalt ausgerechnet an dem Tag durchzusetzen, an dem dort Dutzende Menschen bei einem Anschlag nahe der deutschen Botschaft in Kabul getötet wurden, gab es zuvor schon massive Kritik auch von Grünen, der Linkspartei sowie dem Flüchtlingsrat.
Unterdessen ist der Afghane wieder auf freiem Fuß. Das örtliche Amtsgericht lehnte am Donnerstag die von der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Mittelfranken beantragte Abschiebehaft ab. Das Gericht sehe dafür keinen Anlass, erklärte der Anwalt des jungen Mannes. Der Berufsschüler verließ am Mittag freudestrahlend das Gericht. Vor dem Gebäude empfingen ihn 25 Schulkollegen und sein Klassenlehrer. Die Ausländerbehörde kann gegen die Entscheidung noch Beschwerde einlegen.
Auch die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) zeigt sich »beeindruckt von der spontanen Solidarität und Zivilcourage der Berufsschüler«. IG BAU-Bundesvorstandsmitglied Carsten Burckhardt erklärte: »Es ist ein starkes Zeichen, das die Schüler in Nürnberg gesetzt haben. Oft wird die Jugend als zu oberflächlich und politisch desinteressiert dargestellt. Mit ihrem Protest gegen die Abschiebung von Asef N. beweist sie aber: Wenn es darauf ankommt, unsere grundlegenden Werte wie Menschenwürde zu schützen, ist sie da.«
Der 20-Jährige hatte nach Angaben der Gewerkschaft in Deutschland bereits eine Fliesenlegerausbildung absolviert und gilt laut IG Bau »als Vorbild für eine gelungene Integration von Flüchtlingen in Deutschland.« Er besuche die Berufsschule, um demnächst eine weiterführende Ausbildung zum Schreiner zu absolvieren.
Ein ähnlicher Fall hatte sich zu Wochenbeginn in Nordrhein-Westfalen ereignet. Dort sollte eine 14-Jährige am Montag während des Unterrichts an einem Duisburger Gymnasium von Mitarbeitern der Ausländerbehörde abgeholt und mit ihren Eltern nach Nepal abgeschoben werden. Die Familie wurde nach der Abholung zum Frankfurter Flughafen gebracht und dort der Bundespolizei übergeben, wie eine Sprecherin der Stadt Duisburg am Mittwoch sagte. Noch am Montagabend hätten die Eltern und ihre Tochter das Land mit einem Flieger verlassen. Die Schülerin wurde den Angaben zufolge in Deutschland geboren. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.