Kiew feiert die Visafreiheit
Für Ukrainer werden Reisen in die Europäische Union einfacher und billiger
Lange hat sich die EU geweigert, trotz erfüllter Bedingungen die Visapflicht für Ukrainer aufzuheben. Nun ist es endlich soweit: Seit dem 11. Juni dürfen ukrainische Staatsbürger visafrei in die EU reisen. Allerdings hat die Visafreiheit auch ihre Einschränkungen. Zum einen gilt sie nur für die Eigentürmer des biometrischen Passes, den lediglich rund 3,3 Millionen von insgesamt etwa 43 Millionen Einwohnern besitzen. Zum anderen bezieht sich die Aufhebung der Visapflicht lediglich auf Tourismus und ähnliche Zwecke, eine Arbeitserlaubnis ist damit keinesfalls gemeint. Die Ukrainer werden im Rahmen des visafreien Reisens 90 Tage pro Halbjahr in Ländern des Schengen-Raums bleiben dürfen.
»Die Aufhebung der Visapflicht zeigt deutlich, dass die Ukraine ein Teil des gemeinsamen Europas ist, von Lissabon bis Charkiw. Wir teilen die gleichen Werte - und machen einen weiteren Schritt Richtung EU«, sagt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Der 51-Jährige steht mittlerweile zunehmend in der Kritik und wird in aktuellen Umfragen von Julia Timoschenko überholt. Desto mehr versucht Poroschenko, die Visafreiheit als große Errungenschaft seines Teams medial darzustellen. »Ich habe sie von Anfang an versprochen. Und ich habe Recht behalten«, betont er.
Der Politologe Oleg Woloschin, der mehrere Jahre im ukrainischen Außenministerium arbeitete, sieht das anders. »Der Versuch, die Aufhebung der Visapflicht als Teil europäischer Integration darzustellen, ist irreführend«, meint er. »Diese Entscheidung ist weniger politisch als sie zu sein scheint. Die Ukraine hat die nötigen Bedingungen erfüllt, die Visapflicht wurde aufgehoben. So einfach ist das.« Woloschin stellt aber vor allem die Schlüsselrolle Poroschenkos sowie der aktuellen Regierung infrage. »Die Vorgaben zur Visaliberalisierung erhielt die Ukraine bereits 2010, noch unter Janukowitsch. Noch wichtiger aber: Janukowitschs Regierung setzte rund 80 Prozent der nötigen Gesetze durch.« Daher sei die Anteilnahme Poroschenkos relativ klein.
Doch politische Voraussetzungen hin oder her - für die Ukraine ist die Aussetzung der Visapflicht eine Riesennachricht. Verschiedenen Umfragen zufolge war bisher nur ein Drittel der Ukrainer im Ausland, die meisten davon überwiegend in postsowjetischen Ländern. Die Visafreiheit könnte die Quote deutlich nach oben bringen, obwohl die Armut der Bevölkerung als Hauptproblem bleibt. »Klar kann die Mehrheit der Ukrainer sich die Reisen in die EU eh nicht leisten, schließlich bekommt sie 200-300 Euro monatlich«, sagt der Soziologe Andrij Petrenko. »Aber es fallen nicht nur 35 Euro, die für einen Visumantrag bezahlt werden mussten, weg. Auch die Flug- und Zugtickets werden billiger. Einige werden von der Visafreiheit profitieren.«
Tatsächlich hat mit RyanAir ein großer Billigfluganbieter seinen Einstieg auf dem ukrainischen Markt für den Herbst angekündigt, die Tickets werden bereits verkauft. Auch WizzAir möchte seine Präsenz in der Ukraine ausweiten. Keine Überraschung, dass die Migrationsbehörde vor allem in der Hauptstadt Kiew mittlerweile von den zahlreichen Anträgen für den neuen biometrischen Reisepass überlastet ist. Ob die Visafreiheit jedoch tatsächlich lange hält, ist ungewiss. Vor der Aufhebung der Visapflicht bewilligte die EU ein Ausstiegsverfahren, der es der Union im Falle einer Krise erlauben soll, die Entscheidung zurückzudrehen.
Gleichzeitig werden in der Ukraine Stimmen lauter, Kiew solle nun Visapflicht für Russen einführen. Dafür sprechen sich unter anderem Parlamentsvorsitzender Andrij Parubij und Chef des Sicherheitsrates Olexander Turtschynow aus. »Es ist eine Entscheidung, die längst an der Zeit ist«, sagt der Letztere. »Je schneller wir handeln, desto sicherer ist unser Land.« Der ukrainische Präsident Poroschenko hat sich bisher nicht positioniert. Ob Russland auf die mögliche Einführung der Visapflicht reagieren würde, ist mittlerweile unklar.
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