Gefährliche Glückssuche

In Südafrika kommen immer wieder illegal arbeitende Goldgräber um. Gewerkschaften fordern besseren Schutz

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Frans Baleni sollte recht behalten. »Eines Tages wird es ein großes Desaster geben«, hatte der damalige Generalsekretär der südafrikanischen Bergarbeitergewerkschaft NUM mit Blick auf die informellen Goldgräber prophezeit. Das war 2014. Inzwischen ist die Warnung längst überholt, es gab nicht nur ein Desaster. In loser Folge wiederholen sich die Tragödien in verlassenen Goldminen, bei denen oft Dutzende Kumpel zu Tode kommen. Der Staat reagiert auf die Zama-Zama (Zulu für »Glückssucher«) vor allem mit Repression. Doch die Goldsucher, oft entlassene Bergarbeiter, haben in ihrer Armut kaum eine andere Wahl, als in die unsicheren alten Schächte zu steigen. Gewerkschaften und NGOs fordern deshalb eine Legalisierung, zumindest aber Regulierung des Bergbaus auf eigene Faust.

Zuletzt bebte Mitte Mai in dem Städtchen Welkom die Erde. Der Ort 250 Kilometer südwestlich der Wirtschaftsmetropole Johannesburg war einst ein Zentrum des Goldbergbaus. Doch viele der Schächte sind heute verlassen, für die großen Konzerne waren sie nicht mehr profitabel genug. Goldhaltiges Gestein gibt es aber immer noch, abgebaut wird es von den Zama-Zamas. Mindestens 38 von ihnen starben bei der jüngsten Katastrophe, vermutlich ausgelöst durch eine Gasexplosion. Genauere Angaben zum Unfallhergang und zur Zahl der Toten gibt es nicht, an der Oberfläche sind von den Dramen unter Tage meist nur die Druckwellen zu merken, die Schränke verrücken und Fenster wackeln lassen.

»Wir nennen es den Zama-Friedhof«, sagte ein Forensik-Beamter nach dem Unglück. »Jede Woche holen wir dort Leichen ab. Die Bergarbeiter senden ein Signal und wir fahren raus, um die Leichen abzuholen. Die meisten sind durch die Hitze, Krankheiten oder Quetschungen durch Steinschläge kaum kenntlich«, erklärte der Mann. Wie viele Menschen so in den verlassenen Schächten umkommen, ist nicht bekannt. Im August vergangenen Jahres berichtete das Portal »GroundUp«, dass zwischen 2012 und 2015 in der Presse von insgesamt 312 Todesfällen die Rede gewesen sei, wobei die Zahl von 37 Toten pro Jahr auf 124 gestiegen war. Die Regierung erhebt zu den Todeszahlen »illegaler« Bergarbeiter keine Statistiken. Da selbst die Polizei offen zugibt, dass sie zur Bergung der Toten auf die illegal arbeitenden Kumpel angewiesen ist, dürfte die Dunkelziffer hoch sein. Denn die Zama-Zamas fürchten sich, mit der Staatsmacht zu kooperieren. »In der Hälfte der Fälle haben sie keine gültigen Aufenthaltspapiere. Und wenn sie Südafrikaner sind, kennen sie oft ihre Rechte nicht«, erklärte Chris Molebatsi von der kirchlichen Arbeitsrechtsorganisation »Bench Marks Foundation« gegenüber »GroundUp«. Die Kumpel haben Angst, dass die Polizei sie festnimmt und den Schacht schließen lässt, wenn sie einen Todesfall unter Tage melden.

Der Gewerkschaftsbund COSATU, in Südafrika Teil der Regierungsallianz, sieht neben dem Staat auch die Konzerne in der Pflicht. »Die Minenbesitzer müssen der Tatsache gerecht werden, dass sie eine Situation geschaffen haben, in der Menschen jeden Tag wie Fliegen sterben. Ihr Streben nach Superprofiten und ihr Versagen, alte Schächte richtig zu schließen, hat Waisenkinder zurückgelassen und arme handwerkliche Bergarbeiter das Leben gekostet«, erklärte der Dachverband nach dem jüngsten Unglück von Welkom. Die zuständige Spartengewerkschaft NUM forderte zudem das Bergbauministerium auf, »seine Arbeit im Umgang mit illegalem Bergbau zu beschleunigen, einschließlich einer möglichen Regulierung«. Die NGO »Mining Affected Communities in Action« ging noch einen Schritt weiter und forderte, die Zama-Zamas zu entkriminalisieren, damit diese Sicherheitsausrüstung mit in die Schächte nehmen könnten, ohne Angst zu haben, entdeckt zu werden.

Doch der Weg ist noch weit: Bergbauminister Mosebenzi Zwane, derzeit in einen handfesten Korruptionsskandal verwickelt, hielt es nach dem Unglück in Welkom nicht einmal für nötig, eine Stellungnahme zu verfassen.

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