»Wir haben ein Herz aus Stahl«

Beschäftigte im Saarland fordern Unterstützung der Bundesregierung bei den Verhandlungen mit der EU

  • Jörg Fischer, Saarbrücken
  • Lesedauer: 4 Min.

»Man legt sich nicht mit Stahlarbeitern an«. rief Saarstahl-Betriebsratschef Stefan Ahr in Richtung Brüssel und Berlin. Mehrere hundert Stahlarbeiter waren vor kurzem mit dem Auto vor den Saarbrücker Landtag gefahren. Dort demonstrierten außer den Beschäftigten auch die Regierungspolitiker noch einmal ihre Unterstützung für die Stahlindustrie im Land. »Stahl hat Zukunft« war auf Transparenten zu lesen.

Der »Autokorso« war einer der ersten Aktionen in diesem Jahr. Damit wollen die Beschäftigten ihren Forderungen bei den laufenden Verhandlungen über den Handel mit Verschmutzungszertifikaten im nächsten Jahrzehnt Nachdruck verleihen. Die EU will den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren und ihre Klimaziele erreichen. Ein im EU-Umweltrat vereinbarter »Kompromiss« würde allein für die energieintensiven Stahlunternehmen an der Saar eine Mehrbelastung von 135 Million Euro jährlich bedeuten, für die deutschen Stahlhersteller rund eine Milliarde Euro im Jahr. »2021 wäre das das Ende«, ist der Betriebsratschef der Dillinger Hütte, Michael Fischer, überzeugt.

Bei Saarstahl und Dillinger, den beiden großen und eng mit einander verflochtenen Stahlkochern, arbeiten mehr als 11 000 Menschen, knapp noch einmal so viele in nachgelagerten Betrieben. Zum geflügelten Wort ist in vielen Reden das Motto geworden: »Wir haben ein Herz aus Stahl.«

Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) argumentiert auch umweltpolitisch. Europäischer Klimaschutz dürfe die heimische Produktion nicht so erschweren, »dass Stahl für unsere Industrie unter schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen aus Indien oder China hergestellt wird«.

Die saarländischen Stahlkocher verweisen auf die Hunderte von Millionen Euro, die sie in den Umweltschutz gesteckt haben. Sie sehen sich auch finanziell gut aufgestellt. Anders als die beiden größten deutschen Stahlkocher ThyssenKrupp und Salzgitter müssen sie keine Dividenden ausschütten und können Gewinne auch in Rücklagen stecken. Das liegt an einer Konstruktion, durch die das Saarland über eine Stiftung quasi die Mehrheit an den beiden AGs hat, die Belegschaft Anteilseigner ist und ein Schutz vor Übernahmeambitionen internationaler Konzerne gewährleistet ist. Diese war unter Begleitung des damaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine Ende der 90er Jahre im Zuge eines Insolvenzverfahrens von Saarstahl ausgetüftelt worden.

Bereits 2016 gingen die Stahler zu Tausenden auf die Straße, waren mehrfach zu Demonstrationen nach Brüssel gefahren. Bei einer »Nacht der 1000 Lichter« hatten mehr als 4000 Menschen in Dillingen und Völklingen, dem Hauptsitz von Saarstahl, mit Kerzen und Fackeln demonstriert. Mit dabei waren die Größen der Landespolitik, von Ministerpräsidentin Annegret-Kramp-Karrenbauer (CDU) über Rehlinger und SPD-Landeschef und Bundesjustizminister Heiko Maas bis hin zu Lafontaine.

Neben dem Dauerbrenner Emissionshandel ging es um die Forderung an Brüssel nach Strafzöllen für den Import von Billigstahl vor allem aus China. Inzwischen hat die EU für einzelne Produkte solche Abgaben verhängt - nach den Worten des Vorstandschef von Saarstahl und Dillinger Hütte, Fred Metzken, sind die allerdings eher »symbolischer Natur«.

In diesem Jahr richten die Stahler ihr Hauptaugenmerk auf die Verhandlungen über den Emissionshandel in Brüssel. Durch die Aktionen 2016 sei bei den Bundespolitiker zumindest Verständnis für die Problematik geweckt worden, so Metzken.

Jetzt verlangen Betriebsräte und Gewerkschafter, dass den Worten Taten folgen. Beim Autokorso Ende Mai verwies der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Völklingen, Robert Hiry, auf Videos zum Stahlaktionstag im April 2016, in denen die Saarländer am Kabinettstisch in Berlin, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und Justizminister Maas den Stahlern Unterstützung zugesagt hatten. Vor allem aber verlangen die Saarländer von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass sie ein Veto gegen den »Kompromiss« im EU-Umweltrat einlegt. Auch Saar-Regierungschefin Kramp-Karrenbauer drängt. Mit ihren Amtskollegen aus Brandenburg, Bremen und Niedersachsen (SPD) schickte die CDU-Frau einen »Brandbrief« an Merkel.

Am Tag des Autokorsos wurden die »Trilog«-Gespräche zwischen EU-Parlament, Europäischem Rat und EU-Kommission zum Emissionshandel abgesagt, weil ein Brite wegen des Wahlkampfs nicht kommen konnte. Nun soll ein entscheidendes Treffen möglicherweise am 27. Juni noch unter maltesischer Ratspräsidentschaft stattfinden. Auch danach dürften die Gefechtslage für die Saarländer nicht besser aussehen: Am 1. Juli übernimmt Estland die EU-Ratspräsidentschaft - ein Land, in dem die Stahlindustrie ebenfalls keine Rolle spielt.

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