»Lasst uns endlich auch zuschauen«
Kritik am Stadionverbot für Frauen wächst / Kapitän der Fußballnationalmannschaft fordert Zutritt für alle Fans
Sie sind mit Pauken und Trompeten gekommen, und spielen etwas, was entfernt nach der »Seven Nation Army« der US-amerikanischen Band »White Stripes« klingt, während Gruppen von jubelnden Männern die Hauptstraße im Zentrum von Teheran herabziehen, applaudieren, und ein Polizist aufgeregt telefoniert, auf die musizierenden Frauen zeigt, ihnen dann herablassen erklärt: »Also: Ihr dürft Instrumente spielen, aber nicht singen.«
Es ist ein warmer Sommerabend Mitte Juni; im Azadi-Stadion hat sich der Iran gegen Usbekistan gerade für die Fußballweltmeisterschaft qualifiziert, »ohne Gegentor«, ruft die 26-jährige Afruzeh Sandschani dazwischen, »als zweite Mannschaft überhaupt«. Die Frauen um sie herum nehmen die Instrumente aus dem Gesicht und rufen den Männern zu: »Lasst uns endlich auch zuschauen.«
Denn unter den 60.000 Fans, die den Sieg ihrer Nationalmannschaft im Stadion miterlebten, befanden sich ausschließlich Männer; Frauen haben keinen Zutritt: Ein Unding, sagen die Frauen, deren Gruppe minütlich größer wird, denn in diesem Land scheinen Frauen noch ein bisschen fußballverrückter als die Männer zu sein. »Eine Sache der Vergangenheit,« nannte auch Präsident Hassan Ruhani das Stadion-Verbot im Wahlkampf, und versprach, er werde sich bei Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Khamenei für eine Aufhebung einsetzen.
Und nach dem Spiel forderte dann auch Nationalmannschaftskapitän Masud Schojaei, man möge Frauen den Zugang gestatten. Denn vor Anpfiff hatte es vor dem Stadion Rangeleien zwischen privaten Sicherheitskräften und Fans gegeben, nachdem mehrere Frauen versucht hatten, als Männer verkleidet ins Stadion zu gelangen.
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Seitdem weigert sich eine steigende Zahl an Fußballvereinen, sich an die Urteile der Kommission zu halten, die bislang mit »Konsequenzen durch die FIFA drohte« - die aber aus offensichtlichen Gründen nicht passieren. Unter dem öffentlichen Druck kündigte Präsident Ruhani am Montag zudem nach einem Treffen mit Ajatollah Khamenei an, man werde künftig »durchsetzen, dass alle unsere Bürgerinnen und Bürger am öffentlichen Leben teilhaben können.«
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