Wenn die Uhren rückwärts laufen
Kurt Stenger über Gründe für sinkende Gesamtverschuldung des Bundes
Eine Uhr kann nicht rückwärts laufen. Diese landläufige Meinung nützte der Bund der Steuerzahler aus, als er im Jahr 1995 seine berüchtigte Schuldenuhr etablierte. Das selbst ernannte Sprachrohr aller Steuerzahler stellte mit quasi technischer Präzision seine konservative finanzpolitische Doktrin dar, die da lautet: Der Staat zieht dem Bürger das Geld aus der Tasche, verprasst dieses und lastet künftigen Generationen dann auch noch immer höhere Schulden auf. Die einzig mögliche Schlussfolgerung: Steuern müssen gesenkt, Ausgaben zusammengestrichen und Haushaltsdefizite vermieden werden.
Nun aber ist das Undenkbare eingetreten: Die Schuldenuhr des Bundes läuft seit einiger Zeit rückwärts und hat erstmals seit 2009 die Zwei-Billionen-Grenze unterschritten. Dabei hat die Regierung in den vergangenen Jahren gerade nicht die Ausgaben gekürzt - ein Hauptgrund für die sich bessernde Finanzlage: Staatliche Investitionen und Konsumstärkung fördern das Wirtschaftswachstum, was sich dann eben auch positiv auf den Fiskus auswirkt. Und die vom Bund der Steuerzahler ebenfalls heftig gescholtene Niedrigzinspolitik der EU-Zentralbank tut ein Übriges.
Finanzpolitischen Hardlinern ist die volkswirtschaftliches Betrachtungsweise völlig fremd und die Politik der Nachfragestärkung ein Ding der Unmöglichkeit. Das wäre ja so, als wenn die Uhren rückwärts laufen ...
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