»Die Gegenbewegungen sind vielfältig«
Die Argentinierin Luciana Ghiotto über indigene, gewerkschaftliche oder umweltpolitische Konzepte gegen G20
Was will Attac Argentina beim G20 in Hamburg?
Für uns ist das Treffen in Hamburg enorm wichtig. Der Gipfel für soziale Solidarität ist eine Errungenschaft und dessen organisatorische Kontinuität muss gewährleistet werden. Dieses Jahr wird Argentinien den Vorsitz von Deutschland übernehmen und 2018 das G20-Treffen ausrichten. Auch die argentinischen sozialen Organisationen müssen den Staffelstab übernehmen. Deshalb werden wir gemeinsam mit Attac Deutschland, Brot für die Welt, dem Transnational Institute (TNI) und dem Institute for Policy Studies (IPS) einen Workshop machen, bei dem es um die Kontinuität der Organisation eines Gipfels für soziale Solidarität vor dem G20-Treffen in Argentinien geht.
Wird in Argentinien über G20 gesprochen?
Die Debatte über G20 steht noch ganz am Anfang. Die Menschen wissen sehr wenig darüber und die Medien berichten immer nur, wenn ein G20-Treffen ansteht. So auch als Argentinien auf dem vergangenen G20 den Konflikt mit den Geierfonds einbringen und damit eine Debatte über die Reformierung der internationalen Finanzorganisationen anstoßen wollte. Diese Hedgefonds klagten auf den Nominalwert der Schuldentitel, obwohl sie sie zum Discountpreis auf dem Sekundärmarkt erstanden hatten. Trotz diesem Vorstoß ist das Thema der Reform der Finanzarchitektur noch immer ein Thema für Spezialisten und Akademiker. Über ein Thema müssen wir in Argentinien nicht mehr diskutieren: ob Freihandelsabkommen gut oder schlecht sind. Seit der Debatte über die gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA wissen wir, dass sie schlecht sind.
Ghiotto ist seit über 15 Jahren in den Kampagnen gegen Freihandels- und Investitionsabkommen aktiv und reiste zum G20-Alternativgipfel nach Hamburg. Mit Ihr sprach für »nd« Jürgen Vogt.
ALCA wurde 2005 beim Amerikagipfel im argentinischen Mar del Plata endgültig begraben.
Ja, und zwar unter maßgeblicher Beteiligung der sozialen Bewegungen. Nach wie vor wird noch immer viel auf die USA geschimpft, während China ziemlich unbehelligt bleibt, obwohl es mit seiner Investitionspolitik und seinen Handelsbedingungen äußerst aggressiv auf dem südamerikanischen Subkontinent auftritt. Ohnehin ist die Lage heute komplizierter. Es gibt unzählige multi- und bilaterale Abkommen, die in der Verhandlungsphase oder schon unterzeichnet sind. Auch die Gegenbewegungen sind vielfältig. In der Debatte prallen widersprüchliche Konzepte aufeinander: indigene, gewerkschaftliche oder umweltpolitische.
Wird sich dies beim G20 in Hamburg widerspiegeln?
Wir wollen, dass sich die Mächtigen dort die Forderungen der Völker der Welt anhören. Dass die Agenda aufgeschnürt wird und, dass über die Art und Weise wie Entscheidungen auf globaler Ebene getroffen werden, diskutiert wird. Beim G20 werden Themen von enormer Wichtigkeit für ein globales Regieren diskutiert. Zum einen vertritt uns dieses Forum nicht, zum anderen werden die Entscheidungen nicht demokratisch getroffen. Der Raum, den man der Zivilgesellschaft und den Gewerkschaften einräumt, hat keinen verbindlichen Charakter und ist damit für die Entscheidungsfindung der Staatsoberhäupter folgenlos. Uns in Argentinien interessieren deshalb vor allem die Workshops, bei denen die Politik des G20 analysiert wird und bei denen über zukünftige Strategien diskutiert wird.
Wie weit sind die sozialen Bewegungen in Bezug auf zukünftige Vorhaben?
Wir haben schon damit begonnen, die organisatorischen Linien für 2018 zu ziehen. Aber vorher steht das Ministertreffen der Welthandelsorganisation (WTO) im kommenden Dezember in Buenos Aires auf dem Programm. Darauf konzentrieren wir uns und mobilisieren die Zivilgesellschaft. Den Aufruhr, den wir im Dezember erzeugen, wird einen Ausblick auf den Juli 2018 geben.
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