Voll mit Glück

Kreator: das Frühwerk

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Nicht alles, was in martialischer Aufmachung daherkommt, ist schlecht. Die 1982 in Essen gegründete Thrash-Metal-Institution Kreator z. B., die sich auf dem von ihr gewählten musikalischen Sektor später als überaus einflussreich erweisen sollte, ist sehr gut. Sieht man einmal über ihre in aller Regel zwischen dem immergleichen Fantasy-Kitsch und Horror-Pathos pendelnde Plattencoverästhetik hinweg. Diese mag allerdings dem Genre und dem Zeitgeschmack geschuldet sein: Bis heute hält man im Metal dieselbe sterbensöde, sich in Endlosschleife wiederholende Klischeebildersammlung (Totenköpfe, Dämonen, Mittelalterquatsch) für irgendwie dissident.

Diverse Spielarten der Gewaltausübung (»Pleasure To Kill«, »Under The Guillotine«, »Bringer Of Torture«) sind durchgehendes Thema im Frühwerk der Gruppe Kreator, deren Mitglieder zur Zeit der Bandgründung noch Minderjährige waren, die von den Horror-B-Filmen der 70er und frühen 80er Jahre und deren Freude an farbenfrohen Gore- und Splatter-Effekten wohl nicht wenig beeinflusst waren. Umfangreich verhandelt werden jene gesellschaftlich verdrängten Themen, mit denen der Zuschauer in der »ZDF-Hitparade« oder dem »Blauen Bock« üblicherweise verschont wurde: Entfremdung, Krieg, Folter, Hinrichtungen, Ritual- und Massenmord. Entsprechend wird in besagtem Frühwerk zu Dauerknüppelbeats gern unverhohlen Klartext verkündet. Die Texte, sich zusammensetzend aus fröhlichen pubertären Gewaltfantasien und einer tendenziell unversöhnlich daherkommenden und eher holzschnittartig formulierten Sozial- und Gesellschaftskritik, dürften zwar nicht jedermanns Geschmack sein, doch vergleicht man sie einmal unvoreingenommen mit jenen der zeitgenössischen Sängerin Helene Fischer (»Ich spring’ kopfüber rein ins Leben / Und ich lehn’ mich zurück / Federleicht, voll mit Glück«), ist ihnen eine überaus erfrischende Wirkung nicht abzusprechen (»Destroy The World Is Our Only Aim / To Strike ’Em Down Is The Only Way / To Make ’Em Dead And Make Em Pay«). Eine Wirkung wiederum, die einen für die Künstler aus dem Ruhrpott und deren Freude an der Negation des Bestehenden sehr einnimmt.

Auch die vor mehr als 30 Jahren von Kreator vorgenommene Bestandsaufnahme des politischen Weltzustandes hat bemerkenswerterweise von ihrer Aktualität nichts verloren (»Politicians Warpigs Got Only Shit In Their Heads«). Es lohnt sich also, die Thrash-Metal-Pioniere wiederzuentdecken. Die ersten vier, zwischen 1985 und 1989 erschienenen Studioalben der Gruppe, die übrigens auch ebenso aussagekräftige wie die kapitalistische Gegenwart vollumfänglich beschreibende Titel tragen (»Endless Pain«, »Extreme Aggression«) wurden nun, mit allerlei Bonusmaterial versehen, neu aufgelegt.

Kreator: »Endless Pain«, »Extreme Aggression«, »Pleasure To Kill«, »Terrible Certainty« (Remastered) (ADA / Warner)

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