Minister uneins über Brexit

Im Vereinigten Königreich tobt unter den Tories ein Regierungsstreit um den bevorstehenden EU-Austritt

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Die britische Premierministerin Theresa May macht keine halben Sachen: Erst war sie für den Verbleib in der EU, nach der Volksabstimmung plötzlich für einen Brexit in der extremsten Form. Das britische Volk wollte angeblich ein Ende der EU-Einwanderung, also stand das ganz oben auf Mays Agenda. Zugang zum Binnenmarkt? Zukunft des Exports, der Arbeitsplätze und der Währung? Kalter Kaffee. Die drei »Brexiter« - Chefverhandler David Davis, Außenminister Boris Johnson und Außenhandelschef Liam Fox - würden der EU zeigen, was eine Harke ist. Vorher sollte nur noch die Wahl gewonnen werden.

Es kam anders: May konnte bei den Parlamentswahlen im Juni nur einen Pyrrhus-Sieg erringen. Sie verlor die absolute Mehrheit im Unterhaus und musste mit reaktionären nordirischen Democratic Unionists einen faustischen Pakt eingehen. Diese sind auch Brexit-Freunde, wollen aber keine mit Zollstellen bemannte Grenze zum EU-Mitglied Irland, lehnen Homo-Ehe und Abtreibungen ab.

In ihrer schwachen Position versucht May, sich den britischen Staub von den Schuhen zu schütteln. Sie ist im Urlaub mit Ehemann Philip und hat Johnson sowie Fox auf ausgedehnte Auslandsreisen nach Australien und in die USA geschickt. Schatzmeister Philip Hammond blieb als Stallwache in London zurück.

Das hat Mays Problem nun verschlimmert. Denn Hammond nutzte die Gelegenheit und sprach sich öffentlich für einen »weichen Brexit« aus. Am Freitag sagte er, im Kabinett herrsche »breite Zustimmung« zu einer Regelung, die EU-Bürgern auch nach dem Brexit bis zu drei Jahre Freizügigkeit in Britannien gewährt.

Hammond ist kein Charismatiker, sondern ein trockener Zahlenmensch, sein Spitzname lautet »Tabellen Phil«. Er ist ein erfahrener Macher, der die Brexit-Entscheidung akzeptiert, im Gegensatz zu Johnson und Konsorten aber einen sanften Austritt bevorzugt. So hat der Binnenmarktzugang für Hammond Priorität, denn die Insel treibt 44 Prozent ihres Handels mit EU-Partnern. Der Handel mit der Republik Irland allein ist wichtiger als mit Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zusammen. Der Schatzmeister strebt nach dem für März 2019 geplanten EU-Austritt eine Übergangsphase an, in der Britannien sich eine neue Migrationspolitik geben und Handelsabkommen abschließen soll. Solange würde die Freizügigkeit weiter bestehen.

Was für die britische Exportindustrie eine beruhigende Nachricht ist, empfinden Brexit-Anhänger als Unverschämtheit. Nigel Farage, Europaabgeordneter und Ex-Chef der rechten UKIP, schäumte. Das Boulevardblatt »The Sun« beschimpfte den Finanzchef als »Handbremse«.

Johnson erklärte, er wolle weiterhin ein schnelles Ende der Freizügigkeit. Fox stimmte ihm zu und widersprach öffentlich Hammonds Aussage, es herrsche »breite Zustimmung« zu einer Übergangsregelung. »Ich war an derartigen Beratungen nicht beteiligt, und habe keine Zustimmung signalisiert«, sagte Fox. Es gibt also Krach auf ganzer Linie. Am Montag versuchte es May dann mit einem Machtwort und ließ verkünden: »Die Freizügigkeit endet im März 2019«.

Welche Bedingungen die EU-Partner stellen, spielt bei dem Streit kaum eine Rolle. Anders als die britische Regierung vertreten sie eine einheitliche Verhandlungslinie: Zahlungsfragen, Rechte für EU-Bürger auf der Insel sowie die Irland-Frage genießen für die EU-27 Priorität.

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