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Hormonspiralen unter Verdacht

Immer mehr Hinweise auf psychiatrische und andere Nebenwirkungen des Verhütungsmittels

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft zur Zeit mehrere Hormonspiralen mit dem Wirkstoff Levonorgestrel auf psychiatrische Nebenwirkungen. Das Medizinprodukt dient der Empfängnisverhütung. Der Wirkstoff verdickt die Schleimschicht in der Gebärmutter. So wird verhindert, dass Spermien und Eizellen miteinander in Kontakt kommen. Die Spirale, medizinisch als Intrauterinpessar bezeichnet, besteht aus einem etwa drei Zentimeter langen, T-förmigen Kunststoffkörper, der in die Gebärmutter eingelegt wird. Dort wird dann das künstliche Hormon Levonorgestrel konstant in sehr kleinen Mengen an den Körper abgegeben.

Ein EMA-Ausschuss beschäftigt sich seit einigen Monaten mit der Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen den Spiralen und Ängsten, Stimmungsschwankungen sowie innerer Unruhe gibt. Aktuell untersucht werden drei Produkte des Bayer-Konzern mit den Namen Mirena, Jaydess und Kyleena, außerdem Luadei, das nur in Österreich auf dem Markt ist. Von dem Unternehmen Gedeon Richter kommt Levosert hinzu. Die Ergebnisse sollten schon im Juli verkündet werden, jetzt wurde das auf voraussichtlich Oktober verschoben. Die bislang eingereichten Daten genügten den Prüfern noch nicht, bis August müssen Bayer und Co. weitere nachliefern.

Die Kritik an der Hormonspirale ist nicht gänzlich neu, aber es kommen immer mehr Warnsignale zusammen. Aktuell veröffentlichten die Rotterdamer »Erasmus University Medical Centers« eine Studie zum Zusammenhang zwischen Verwendung der Spiralen und einer größeren Anfälligkeit für Depressionen. Gerieten Anwenderinnen in Stress, wurde übermäßig Cortisol ausgeschüttet und die Herzfrequenz stieg an. Auch nach der aktuellen Produktinformation sind für Mirena Depressionen und depressive Verstimmungen als »häufige« Nebenwirkung aufgeführt, diese können bis zu zehn Prozent der Nutzerinnen betreffen.

Zu Wort gemeldet hat sich in dieser Frage bereits die »Coordination gegen Bayer-Gefahren«. Deren Vorstand Jan Pehrke forderte Anwendungsbeschränkungen. Er wies darauf hin, dass Geschädigte die Bayer-Hauptversammlungen bereits über weitere Nebenwirkungen informierten, darunter Herzrasen, Bauchkrämpfe, Zysten, Unruhezustände, Schlaflosigkeit und Akne.

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte mehr als 45 000 Meldungen über unerwünschte Mirena-Effekte. Bayer liegen laut Quartalsbericht in den USA 2900 Klagen auf Entschädigung vor. Das Leverkusener Unternehmen sieht keinen Handlungsbedarf, will sich aber juristisch zur Wehr zu setzen. Bei diesen Klagen geht es um nichtpsychiatrische Gesundheitsschäden, darunter die Perforation des Uterus oder Schwangerschaften außerhalb der Gebärmutter. Der Vorwurf lautet, dass Bayer die Nutzerinnen nicht vor diesen, dem Hersteller bekannten, Risiken gewarnt habe.

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erhielt bereits mehr als 270 Meldungen über Verdachtsfälle allein zur Bayer-Spirale Mirena. Das Institut hatte 2016 auch die Überprüfung bei der EMA angeregt. Schon vor zehn Jahren ergab eine britische Studie, dass nur knapp die Hälfte der Nutzerinnen die Hormonspirale die vorgesehenen fünf Jahre behielt. Die übrigen Frauen ließen sie wegen Nebenwirkungen vorzeitig entfernen. Auch in Deutschland wurde schon 2009 vor psychiatrischen Nebenwirkungen gewarnt, verbunden mit der Aufforderung, alle beobachteten Nebenwirkungen und Verdachtsfälle der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu melden.

Im bisherigen Marketing der Spiralen wird die lediglich lokale Wirkung von Mirena hervorgehoben - ein Grund, warum das Produkt auch hierzulande von vielen Ärztinnen empfohlen wird. Das Bayer-Sponsoring für Verbände wie die »Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit« scheint Früchte zu tragen. Inzwischen musste Bayer aber das vermeintliche Argument der nur lokalen Wirkung in Anführungszeichen setzen lassen. Der Bundesverband der Frauenärzte hält dennoch weiter an der Spirale fest und verweist darauf, dass die in den Kreislauf gelangende Hormondosis niedriger sei als die bei Pillen mit dem gleichen Wirkstoff.

Die Hormonspirale ist in Deutschland seit 1996 zugelassen. Allein Bayer macht damit weltweit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro pro Jahr.

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