Glücklich im Sprungbrettjob
Zwischen Performance und Schauspiel: Philipp Arnold arbeitet als Regieassistent am Deutschen Theater
Es kann eine einsame Angelegenheit sein, im Sommer einen Theaterplatz anzusteuern. Gerade dann, wenn sich das jeweilige Schauspielhaus nicht etwa kleinstadtgerecht in der Nähe eines wichtigen Bahnhofs befindet, sondern abseits der Hauptstraßen ein verborgenes Dasein fristet.
Das Deutsche Theater (DT) wurde im 19. Jahrhundert in ein Wohngebiet in die Schumannstraße hineingebaut. Mittlerweile stört kein architektonischer Funktionalismus mehr den Blick auf die prunkvolle Fassade des Hauses. Wer dorthin gelangen will, muss aber noch immer um einige Ecken gehen. Kurz vor dem Beginn einer der letzten Aufführungen vor der Sommerpause gestaltet sich das, anders als sonst, nicht als Parcours, der gemeinsam mit in dieselbe Richtung strebendem Kulturvolk über den engen Asphalt zu absolvierend ist.
Auf einer Bierbank vor dem Haupteingang sitzt Philipp Arnold. Um ihn herum feixt eine kleine Männergruppe, ansonsten hat er das Sonnenlicht noch für sich. Jahrelang hielt der 27-Jährige sich in einer Metropole auf, deren Firmament noch weniger Licht auf die Magistralenflaneure strahlen lässt als der Himmel über Berlin auf die Bewohner der Bundeshauptstadt. An der Goldsmiths-Universität London belegte Arnold den Bachelor-Studiengang »Drama & Theatre Arts«. Inhaltlich entspricht das dem, was in Deutschland als »performative Kunst« bekannt ist. In England arbeitete er postdramatischen Stars wie Katie Mitchell zu. Was treibt einen sich offenbar der Avantgarde zugehörig fühlenden Mann ausgerechnet ans DT, wo vor allem das traditionelle Schauspieltheater angesiedelt ist?
Wie so oft war es auch bei Philipp Arnold der Zufall, der ihn hierher trieb. Seit einem Freiwilligen Sozialen Jahr am Schauspielhaus Köln will er Theaterregisseur werden, und da bot sich nach einem Engagement an der Schaubühne die Möglichkeit, als fester Regieassistent am DT zu arbeiten. Die Frage nach der Vereinbarkeit lächelt er weg: »Natürlich ist es komisch, wenn jemand wie ich Theater-Theater macht.« Theater-Theater, so nennen Performer das Schauspiel. Arnold verwendet die Bezeichnung nicht abwertend: »Erstens ziehe ich die Grenze zwischen Performance und Schauspiel nicht so scharf wie andere. Außerdem gibt es hier am DT für Klassisches ebenso Platz wie für Avantgardistisches.«
Einer seiner bisherigen Höhepunkte sei seine Beteiligung an der Kafka-Adaption »Ein Käfig ging einen Vogel suchen« unter der Regie von Andreas Kriegenburg: »Er ist kein Regie-Berserker, sondern bringt die Dynamik im Ensemble durch Beteiligung der Schauspieler zur Entfaltung.« Als Regieassistent sei Arnold die »Schnittstelle zwischen Haus und Produktion«. Damit ist ein Regieassistent vor allem fürs Administrative zuständig: Er organisiert Proben und die Gewerke, er arbeitet mit dem Ensemble an der Textinterpretation, und er führt nach der Premiere die Abendregie.
Das klingt nach einem verkappten Managerposten. Und es klingt nach einem Job, der den meisten als Sprungbrett zum Regiestuhl dient. Philipp Arnold stimmt dem zu, und er muss nun lauter sprechen. Denn in der kleinen Männergruppe von nebenan hat nur einer das Wort. Dessen Stimme beschallt den Theaterplatz. Es ist das kraftvolle Organ des berühmten Schauspielers Ben Becker, den es irgendwie hierher verschlagen hat. Alle paar Minuten lacht er schallend und attestiert seinen Kumpels mal zu viel und mal zu wenig Alkoholkonsum.
Ein guter Zeitpunkt für Namedropping: Auf Nachfrage zählt Arnold prominente Regisseure auf, mit denen er bereits zusammengearbeitet hat. Dazu gehören neben Katie Mitchell auch Sebastian Hartmann, Friederike Heller, Tom Kühnel, Daniela Löffner und das Kollektiv Rimini Protokoll. »Man schaut sich von manchen im Probenalltag etwas ab«, sagt der gebürtige Leverkusener, »aber am Ende versucht jeder, seine eigene Ästhetik zu entwickeln.« Wie die bei ihm aussieht, das präsentiert er in seiner ersten eigenen Regiearbeit am DT, von der jetzt gleich in der Box die letzte Vorstellung der Spielzeit über die Bühne gehen wird. In »Tropfen auf heiße Steine«, einem frühen Stück von Rainer Werner Fassbinder, bringt Arnold eine tragische Orgie aufs Tableau. Intendant Ulrich Khuon habe ihm den Text empfohlen, und Arnold hat das Werk in eine düstere Farce in Stummfilmästhetik verwandelt.
Die Inszenierung hat sich bewährt und wird darum auch in der kommenden Saison am DT zu sehen sein. Bis zum Sommer 2018 läuft der Regieassistenz-Vertrag von Philipp Arnold. Was danach kommt, darüber hat er sich noch keine Gedanken gemacht. Der freien Szene, sagt er zum Abschied, werde er so oder so verbunden bleiben. Ein großes Ziel aber bleibt vorerst das große Haus. Wenn nicht am DT, dann anderswo.
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