Dunkle Zeiten
Ein bisschen zu plattitüdenhafte Gesellschaftskritik: Algiers »The Underside of Power«
Alt sollte Fred Hampton nicht werden. Das Mitglied der Black Panther Party starb nicht, wie von der Chicagoer Polizei behauptet, bei einem Festnahmeversuch. Hampton wurde im Schlaf erschossen. Seine Ermordung am 4. Dezember 1969 war Teil des staatlichen Aufstandsbekämpfungsprogramms. Es galt, die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung zu zerschlagen. Hampton wurde 21 Jahre alt.
Die aus Atlanta, Georgia, stammende Band Algiers nimmt diesen Pfad rassistischer Gewalt auf. Sie stellt den Auszug einer Agitationsrede Hamptons mit revolutionärer Stoßrichtung an den Anfang ihres zweiten Albums »The Underside of Power« und unterstreicht damit einmal mehr ihre politische Ernsthaftigkeit. Gleichzeitig verlinkt sie so die rassistische Vergangenheit der weißen amerikanischen Mehrheitsgesellschaft mit der ebenfalls nicht schönen Gegenwart in den USA, die am prominentesten zuletzt Ta-Nehisi Coates in seinem Essay »Zwischen mir und der Welt« in Worte zu fassen wusste. Coates schreibt über die ausgrenzende, zurichtende, mithin tödliche Gewalt, die sich auch 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei regelmäßig an schwarzen Frauen und Männern vollzieht, an ihren schwarzen Körpern.
Ja, da hat der afroamerikanische Sänger des ansonsten weißen Soul-Rock-Quartetts, Franklin James Fisher, auf jeden Fall recht: »Wenn man Musik macht, ist es doch sinnvoll, etwas Interessanteres zu thematisieren, etwas, das Gewicht hat, anstatt immer nur über Sex, Partys und Geld zu sprechen.« Was einem als Rezensent dazu außerdem in den Sinn kommt, ist vielleicht nicht gerade tiefe Dankbarkeit, dafür ist die Musik dann doch zu platt und zu ungelenk, ist der Zuschnitt der Texte mit ihrer oft gehörten apokalyptischen Wutrhetorik (»This is the final execution / It’s our endgame«) nicht interessant genug. Doch gut ist eben doch, dass es Algiers gibt. Jenseits der kleinen Hardcore-Punk-Bühnen, auf (mittel-)großen Popbühnen, finden schließlich viel zu wenige Künstler deutliche Worte. Anohni, Kendrick Lamar, M.I.A. oder PJ Harvey sind Ausnahmen.
Nach rechts kann man rutschen, nach links muss man blättern. Stimmt nicht immer, aber oft. Der bekannte Spruch passt gar nicht schlecht zu Fishers real-dystopischen Texten, die durchaus informiert von rassistischer und von häuslicher Gewalt handeln, von den miserablen politischen Zuständen unserer Welt, vom ausbeuterischen Kapitalismus, dem Rechtsruck in den USA, dem drohenden Ende, der Selbstauslöschung.
Den »dunklen Zeiten«, gestern wie heute, versucht Fisher auch mit Gedanken und Zitaten von Malcolm X, Che Guevara, James Baldwin oder Hannah Arendt (in »Hymn for an Average Man«) beizukommen. Er singt aus voller Kehle, schmettert, schreit, gibt den superpathetischen Bühnenprediger.
Ein bisschen dicke ist das auf Dauer natürlich schon. Zumal ja bereits der leidenschaftlich-wütende, Southern Soul, Gospel, Nine-Inch-Nails-Industrial, Goth Rock und doomigen Post-Punk respektlos zusammendengelnde musikalische Vortrag keine Gefangenen nimmt. Aber gut: Wenn’s der Wahrheitsfindung dient.
Algiers: »The Underside of Power« (Matador / Beggars / Indigo)
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