Linke Parteien rufen Verfassungsrat an
Oppositionsparteien in französischer Nationalversammlung: Arbeitsrechtsreform per Dekret ist undemokratisch
Vor der Präsidentschafts- und Parlamentswahl konnten sie nicht zusammenkommen, doch jetzt wollen sie gemeinsam Emmanuel Macron ausbremsen: Jean-Luc Mélenchons Bewegung La France insoumise, Kommunisten und Sozialisten (letztere nennen sich jetzt verschämt »Neue Linke«) wollen gemeinsam vom Verfassungsrat prüfen lassen, ob das von Macron eingeleitete Verfahren einer tief greifenden Arbeitsrechtsreform per Regierungsdekret – und damit unter weitgehender Umgehung des Parlaments – mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Fraktionschefs der drei linken Oppositionsparteien im Parlament kündigten am Donnerstag den Gang vor das französische Verfassungsgericht an.
Dieser Woche wurde von beiden Kammern des Parlaments das »Ermächtigungsgesetz« beschlossen, das der Regierung den Rückgriff auf Dekrete erlaubt. Doch das dazu erteilte Mandat sei »unpräzise formuliert«, bemängeln die Kläger. Ferner sei bei der Festlegung des Rahmens der Reform das Recht willkürlich entlassener Beschäftigter auf Wiedergutmachung zu vage umrissen.
Zudem wird in der Begründung festgestellt, dass der Text des »Ermächtigungsgesetzes« und die Art, wie es unter Zeitdruck und ohne ausreichend gründliche Debatte durchs Parlament gepeitscht wurde, gegen zahlreiche verfassungsmäßige Prinzipien und Rechte verstößt. Vor allem werde durch den Rückgriff auf Regierungsdekrete die zentrale Rolle des Parlaments verletzt und es mangele an der nach Artikel 38 der Verfassung geforderten Präzision beim Umreißen der Kompetenzen der Dekrete. »So vage formuliert lässt das Ermächtigungsgesetz der Regierung einen weiten Rahmen, um das Arbeitsrecht nach Belieben und ohne Garantien für die Beschäftigten zu ändern«, heißt es in dem gemeinsamen Kommuniqué der Kläger.
In diesem betonen die drei Fraktionsvorsitzenden – Jean-Luc Mélenchon für La France insoumise, André Chassaigne für die Kommunisten und Olivier Faure für die Sozialisten –, dass dieses gemeinsame Vorgehen die einzige Möglichkeit für die Opposition ist, den Verfassungsrat anzurufen.
Für eine Klage vor dem Verfassungsrat ist eine Initiative von mindestens 60 Abgeordneten der Nationalversammlung oder 60 Senatoren nötig. Die Fraktion La France insoumise zählt 17 Abgeordnete, die der Kommunisten 16 und die der Sozialisten 31. Außerdem haben sich zwei der drei fraktionslosen Abgeordneten aus Korsika angeschlossen.
Dem Verfassungsrat gehören neun Mitglieder an. Je drei werden durch den Staatspräsidenten sowie die Präsidenten der Nationalversammlung und des Senats ernannt. Einen Monat hat der Rat Zeit, um über die Klage zu entscheiden. Rechtsexperten räumen der Initiative allerdings geringe Chancen ein, das Vorgehen der Regierung zu stoppen. Premier Edouard Philippe hat am Freitag angekündigt, dass er den Text der Dekrete zur Arbeitsrechtsreform am 31. August den Sozialpartnern vorlegen wird.
Die linke Opposition und die Gewerkschaften stellen sich darauf ein, dass der effizientere Kampf gegen die geplante Arbeitsrechtsreform in den Betrieben und auf der Straße erfolgen wird. »Diese Reform ist noch verheerender als die unter Präsident Hollande und seiner Arbeitsministerin Myriam El Khomri«, so der KP-Abgeordnete Pierre Dharréville. »Sie würde das Arbeitsrecht auf Kosten der Beschäftigten und zum alleinigen Profit der Aktionäre zerstören. Mit den Dekreten wird Macron unbeschränkte Vollmacht erteilt, eine antisoziale und antidemokratische Großoffensive zu starten.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.