Spirale des Wahnsinns

Peter Kirschey über die Eskalation zwischen den USA und Nordkorea

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 4 Min.

Plant die US-Administration tatsächlich einen Angriff auf Nordkorea mit verheerenden Folgen? Steuert die Welt auf einen neuen Koreakrieg zu? Die Spirale des Wahnsinns jedenfalls dreht sich immer weiter. Und niemand scheint die Schlacht der gegenseitigen Bedrohungen und Beschimpfungen stoppen zu wollen und zu können. Bisher läuft alles nach einem eingefahrenen Ritual. Die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) startet eine Rakete oder zündet einen Bombe und der Weltzorn bricht über den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un herein. Die Sanktionsschrauben werden fester angezogen - und Pjöngjang reagiert mit neuen Kriegsdrohungen.

Die DVRK ist, das haben all ihre militärischen Aktivitäten der jüngsten Zeit gezeigt, eine Atom- und Raketenmacht geworden. Sie verfügt über ein nukleares Vernichtungsarsenal und sie ist mit ihrem Langstreckenraketen-Programm in der Lage, US-amerikanische Territorien zu erreichen. Über das Ausmaß der Bedrohungsmöglichkeiten und die tatsächliche Kraft der nordkoreanischen Armee streiten sich die Militärexperten. Doch Tatsache ist: Nordkorea gehört nun zum Club der potenziellen Weltzerstörer.

Für Nordkorea ist Atomwaffenbesitz die Versicherungspolice gegen einen US-Schlag zur Auslöschung des Systems. Washington strebt unverhohlen einen Regimewechsel an und drängt damit Nordkorea weiter in die Ecke der Unberechenbarkeit. Der jüngste »Feuer und Wut«-Ausfall von US-Präsident Donald Trump hat die Befürchtungen verstärkt, in Washington denke man ernsthaft über einen Atomschlag gegen das Regime in Pjöngjang nach. Nordkoreas Militär konterte umgehend mit der Drohung, die Pazifikinsel Guam anzugreifen, auf der die USA einen riesigen Militärstützpunkt unterhalten.

Die immer schärferen Sanktionen gegen Nordkorea haben nicht die gewünschten Resultate gebracht. Im Gegenteil: Mit dem Rücken zur Wand sitzt das Regime so fest wie nie im Sattel und die Macht Kim Jong Uns ist auch durch den internationalen Druck weiter gestärkt worden. Er wird von der nordkoreanischen Propaganda als gottähnlicher, weiser, kämpferischer, unerschrockener Führer präsentiert und jeder Druck von außen bestätigt ihn in seiner totalen Herrschaft.

Kim Jong Un führt die so genannte Songun-Politik, die »Politik des Militärs zuerst«, seines Vaters und Vorgängers konsequent weiter. Jeder erfolgreiche Raketentest lässt die Führung in Jubelorgien ausbrechen. Bei Ri Man Gon, Vizechef der Partei, klang das auf einem Festempfang für die Raketenerbauer dann so: Der große Erfolg des Tests habe erneut den »Schädel des Imperiums des Bösen, des Anführers der Aggression, stark angeschlagen«. Dank des weisen Führers und Lenkers habe man an Wunder glänzende Siege feiern können. Die Hoffnungen der Washingtoner Strategen, das nordkoreanische Militär werde im Ernstfall einen Regimewechsel herbeiführen, haben sich nicht erfüllt. Dank einer geschickten Bevorzugungspolitik steht es fest hinter ihrem großen Lenker.

Die USA und Nordkorea schüren die aggressive Kriegspropaganda und es scheint nur noch ein Funken zu fehlen, der die Situation außer Kontrolle geraten lässt. Bisher blieb es bei unappetitlicher Rhetorik. Die Leidtragenden einer atomar oder konventionell geführten Auseinandersetzung wären zuerst die Koreaner in Nord und Süd, denn der Krieg würde sich auf ihrem Territorium abspielen.

Wie kann man diese Spirale zurückdrehen, ohne dass eine Seite das Gesicht verliert? Wenn es das Ziel der internationalen Politik ist, eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden, müssen neue Wege gegangen werden. Zunächst muss sich die Welt wohl damit abfinden, dass Nordkorea eine Atommacht geworden ist und die unselige Politik der Sanktionen beenden. Ein Verzicht der alljährlich stattfindenden amerikanisch-südkoreanischen Militärmanöver könnte ebenfalls zu einer deutlichen Entspannung beitragen. Am Ende könnte ein Nichtangriffspakt oder gar ein Friedensvertrag mit Kims Nordkorea stehen.

Die USA, der Westen, Südkorea und Japan würden dadurch nichts verlieren. Nur gewinnen. Erst, wenn Nordkorea als gleichberechtigter Partner anerkannt wird, kann sich auch bei der dortigen Führung die Einstellung zur Welt und die Lage im Land ändern. Ein solches Vorgehen gegenüber dem Land erfordert viel Mut. Für einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel sollte es das aber wert sein.

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