Nudeldiadem und Bratwurstkrone

Die Zeit der Monarchen ist hierzulande eigentlich vorbei, doch im Regionalmarketing spielen sie eine große Rolle

  • Lesedauer: 3 Min.

Steuden. An die Pasta auf dem Kopf gewöhnt es sich schnell. Schließlich sind sie Teil des Diadems der deutschen Nudelkönigin. Die Zeiten der Monarchie sind hierzulande vorbei, was manche Anhänge royaler Familien in Europa bedauern. Dafür lassen sich hier Dutzende Menschen als Botschafter allerlei Spezialitäten krönen. Sie tragen dann freiwillig goldene Bratwürste und Mini-Nussknacker auf dem Kopf - oder eben Nudeln.

Die amtierende Hoheit im Namen der Pasta ist seit Mai Patricia I. Die 29-Jährige wurde im sachsen-anhaltischen Steuden gekrönt und ist jetzt zwei Jahre lang als Nudelkönigin unterwegs. Die Krone der Hallenserin ist mit Nudeln verziert. »Anfangs war es wirklich seltsam, ich in diesem pompösen Kleid und immer etwas auf dem Kopf«, gibt sie zu. Inzwischen genieße sie es, zwei bis dreimal im Monat als kulinarische Monarchin zu Festen und Veranstaltungen eingeladen zu werden. Dort verteile sie Nudeln - und Autogrammkarten, sagt Patricia I. Die Wahl meisterte sie gegen zwei Konkurrentinnen mit ihrem Pasta-Wissen. Kein Wunder: Patricia Schenk ist normalerweise Einzelhandelskauffrau in einem Supermarkt und verantwortet dort die Nudelabteilung.

Im sächsischen Erzgebirge wird regelmäßig eine Nussknackerkönigin gewählt - dort, wo die Figuren aus Holz seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre Heimat haben. Derzeitige Amtsinhaberin ist die 26-jährige Christin Kopitzke. Die Majestät soll die Stadt, die Region, das Handwerk und das Nussknackermuseum selbst bekannter machen. Letzteres schaffte schon vier Einträge ins Guinness-Buch der Rekorde - etwa als größte Nussknackersammlung der Welt. Zwei der berühmten Holzfiguren trägt auch die Monarchin auf dem Kopf - im Miniformat an ihrer Krone.

Der Thüringer Bratwurstkönig wiederum wird nicht gewählt, er muss sich den goldenen Kopfschmuck, über dem eine Wurst schwebt, erarbeiten. Der Repräsentant der Thüringer Nationalspeise wird in einem Wettbewerb gekürt. Die Majestät muss einen Rost anwerfen und dabei auch noch Späße machen können. Ganz wichtig: Würste werden gebraten. Wer Würste grillen will, ist gleich durchgefallen. Es heißt schließlich Bratwurst, sagt Uwe Keith vom Verein der Freunde der Thüringer Bratwurst. Derzeit trägt Gerhard I., ein pensionierter Metzgermeister, Krone und Zepter, das an eine hölzerne Wurstzange erinnert. Wenn Gerhard Herbst, so heißt der derzeitige Regent, nicht in Wurstangelegenheiten bei Festen und Messen unterwegs ist, hält er schon mal Audienz im Bratwurstmuseum in Holzhausen bei Arnstadt. Thüringens Wurstkult zieht sich durch ganz Europa: Seit der Anerkennung als regionale Spezialität durch die EU stieg der Absatz stark.

Im pfälzischen Schifferstadt schwingt Rettichkönig Lukas I. das Zepter. Der Titel wird mit Unterbrechungen seit 1936 vergeben - bislang aber nur an Frauen. Der 22-jährige Lukas Kopping ist nun für zwei Jahre »Botschafter des Rettichanbaus« und der »Rettichmetropole« Schifferstadt. Und was macht der König so? Zum Beispiel repräsentieren. Er habe beim jährlichen Rettichfest bereits viele Eindrücke gesammelt, sagt er. Bei Auftritten trägt Kopping einen Janker, eine Weste und Jeans. »Es ist auf jeden Fall spannend.«

Die leidenschaftliche Hobbybäckerin Heidi Mick ist als Käsekuchen-Königin die erste ihrer Zunft. Die junge Frau aus Bous bei Saarbrücken wurde im Oktober vom Landkreis Saarlouis zum 200-jährigen Bestehen des Kreises gekürt, nachdem sie zuvor am Ofen überzeugte. Sie habe schon immer gerne gebacken, sagt sie: »Viel Schmand, viel Quark und viel Sahne.« In der Region ist Käsekuchen sehr beliebt: Auf saarländischen Festtafeln soll mindestens ein leckeres Exemplar zu finden sein. dpa/nd

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