Wiens islamfeindlicher Kulturkampf

Bildungsministerium hat Anzeige gegen private Imam Hatip-Schule erstattet

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Es läuft wie am Schnürchen. Alle ziehen an einem Strang. Außenminister und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, der nebenbei noch die Integrationsagenden betreibt, wirft der sozialdemokratischen Bildungsministerin Sonja Hammerschmid vor, nicht genug gegen sich ausbreitende Islamschulen zu unternehmen. Diese ließ am Sonntag umgehend Anzeige gegen eine große Imam Hatip-Schule am Stadtrand von Wien erstatten, weil der Verdacht bestehe, sie werde aus dem Ausland finanziert - was mit dem neuen Islamgesetz verboten wurde. Die palästinensisch-stämmige SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar, erst ein paar Monate im Amt und entsprechend willfährig, toppt die islamfeindliche Haltung des Außenministers und lässt verkünden, künftig Konto-Öffnungen von islamischen Organisationen durchführen zu wollen, um Geldflüssen besser nachspüren zu können.

Die Grünen wiederum drängen darauf, ob des aktuellen Kampfes gegen die Imam Hatip-Schule den türkisch-islamischen Verein ATIB nicht aus dem Auge zu verlieren. Bleibt noch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der seit Monaten zum Lieblingsthema der Rechten in den Medien nicht mehr vorkommt, weil alle anderen Parteien seine islamfeindliche Politik längst übernommen haben.

Die rechtliche Grundlage für die islamophobe Hetze wurde 2015 mit dem sogenannten Islamgesetz gelegt, das Muslime gegenüber anderen religiösen Gruppen diskriminiert. Das Verbot der Auslandsfinanzierung gilt nur für islamische Religions- und Kultureinrichtungen, auch die Kodifizierung der Glaubensgrundsätze in deutscher Sprache wird einzig von ihnen verlangt.

Dass sich der Kulturkampf ausgerechnet an einer weiterbildenden islamischen Bildungseinrichtung entzündet, mutet seltsam an. Denn die Imam Hatip-Schule stellt gar nicht den Anspruch, PflichtschülerInnen zu unterrichten. Hierher kommt man erst, wenn man das schulpflichtige Alter von 15 Jahren hinter sich hat. Auch werden die ausgestellten Zeugnisse in Österreich nicht anerkannt, sondern haben ihre Gültigkeit nur in der Türkei. Die von der Regierung eingeleiteten Schritte zielen also darauf ab, eine weiterführende Bildung für Muslime in Österreich zu verhindern.

Nun kann man einwenden, dass die Imam Hatip-Schulen konservativ-reaktionäre Einrichtungen seien; historisch gehen sie auf Ausbildungsstätten für türkische Religionsbeamte in den 20er Jahren zurück, wurden in der Zeit der Militärdiktaturen zurückgedrängt und erleben ihren neuerlichen Aufschwung seit Erdogans Schulreform von 2012. Kein fortschrittliches Elternpaar würde seine Kinder auf eine solche Kaderschmiede schicken. Doch diese Frage wird im österreichischen Kulturkampf nicht gestellt, sonst müsste man auch über die politische Ausrichtung von gut drei Dutzend katholischer Privatschulen reden. Und vor allem auch darüber, dass der Vatikan über ein 1933 unterzeichnetes Konkordat in den katholischen Religionsunterricht hineinregiert. Solche politisch wichtigen Debatten werden nicht geführt. Stattdessen überbieten sich Proponenten aller Parteien gegenseitig in Islamfeindlichkeit.

ÖPV-Chef Kurz, der für die kommende Nationalratswahl beste Umfragewerte hat, hat die FPÖ in punkto Islamophobie längst überholt. Dass er dabei auch mit Vertrauten nicht zimperlich umgeht, wenn sie nicht die gewünschten Resultate bringen, zeigte sich erst kürzlich: Sein Ministerium ließ eine Studie umschreiben, in der die islamischen Kindergärten zu gut wegkamen.

Im Originaltext hatte der Studienautor die Motivation von Eltern beschrieben, die ihre Kinder islamischen Einrichtungen anvertrauten, mit »Werten wie Respekt, Gelassenheit, Hygiene ... Liebe, Wärme und Geborgenheit«. Nach dem Lektorat des Ministeriums war an dieser Stelle zu lesen: »Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden«. Genau darum geht es im Kulturkampf: Die Werte müssen christlich, liberal und deutsch sein.

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