Mit Straucherbsen gegen den Klimawandel

In Benin berät die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Kleinbauern im dürreresistenten Anbau

  • Susanne Götze, Parakou
  • Lesedauer: 6 Min.

Yarou Nikki bewacht sein Feld wie einen Goldschatz. Tag und Nacht. Wenn es sein muss, schläft der Bauer auch in einer Ackerfurche. Doch einen Goldschatz hat es hier im Norden des westafrikanischen Benin wohl noch nie gegeben. Wer auf dem Dorf lebt, gehört mit einem Einkommen von weniger als einem Dollar pro Tag zu den ärmsten Menschen der Welt. Fast alle Familien arbeiten in der Landwirtschaft, so auch Yarou Nikki, seine Frau, seine Brüder und insgesamt 16 Kinder.

Das Dorf Wara liegt eine Tagesreise vom Meer entfernt. Nur eine einzige betonierte Straße führt von der alten Kolonialstadt Porto-Novo nahe der Küste am Golf von Guinea in den hohen Norden des Landes, das im Osten und Westen zwischen den Nachbarstaaten Togo und Nigeria eingeklemmt ist. Wara ist nur auf sehr detaillierten Karten verzeichnet. Die letzten Kilometer führt ein rötlicher Sandweg vorbei an schreienden Kindern und mit Wellblech gedeckten Lehmhütten weit hinein in den Busch.

Auf einem alten Moped chinesischer Bauart fährt der Bauer bis zu seinem Feld, das zwei Kilometer vor dem 200 Seelen-Dorf liegt: Dort wachsen zwei Dutzend Straucherbsenbüsche. Es ist so ziemlich die einzige Pflanze, die mitten in der Trockenzeit noch grün ist und ohne Wasser auskommt. Normalerweise sind die Felder hier im Norden Benins fast ein halbes Jahr lang staubig und trocken, bei Temperaturen von über 40 Grad verbrennt alles über kurz oder lang. Außer einigen Bäumen bekommt die Vegetation in der Trockenzeit einen rötlich-beigen Grundton.

Bauer Nikki trägt einen Kaftan und lächelt viel. Besuch von weißen Menschen gibt es in Wara so gut wie nie. Seine Felder und einige Rinder sind alles, was Nikkis Familie hat. Gibt es schlechte Ernten, wird es schnell knapp. Lebensgefährlich wird es, wenn eine schlechte Ernte mit einem Krankheitsfall zusammenfällt. Nur in guten Jahren bleibt etwas übrig. »Mein Boden gibt seit Jahren immer weniger her«, klagt der Bauer. »Früher habe ich drei Tonnen Mais pro Hektar geerntet, heute sind es kaum mehr als eine Tonne - für meine Familien reicht das einfach nicht mehr.«

Als einer der ersten Bauern im Dorf probiert der Bauer das erste Jahr die Rezepte des Agraringenieurs Amadji Firmin. Mit Hilfe der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat Firmin eine Gruppe von Technikern ausgebildet, die den Bauern in den Dörfern helfen, ihre Böden wieder fruchtbar zu machen und gegen Dürren zu wappnen: »Früher hatten unsere Böden eine fünfprozentige Humusschicht, heute kommen wir auf maximal ein Prozent: Wir haben hier Böden, die nur noch aus Sand und Steinen bestehen, es ist kaum mehr Leben darin«, beklagt der Agrarexperte. »Es gibt keine Mineralien mehr und der Boden hat seine Fähigkeit als Schwamm verloren.« Das beninische Agrarinstituts INRAB und die GIZ schätzen, dass ein Drittel bis zur Hälfte der Böden laut der über 400 Stichproben in sechs Gemeinden im Norden des Landes so gut wie unfruchtbar ist - in der Fachsprache spricht man auch von »degradiert«.

Was der Umwelttechniker beschreibt, ist eine der größten Herausforderungen der südlichen Sahelzone: Millionen Menschen sind dort von der Subsistenzlandwirtschaft abhängig. Sie leben von ihrem Stück Land und wenn der Boden nichts mehr hergibt, müssen sie alles aufgeben und in eine der großen Städte ziehen.

Nun soll den Bauern mit Programmen geholfen werden. »Seht, die Straucherbsen stehen in vollem Grün«, sagt Bauer Nikki und führt durch sein Feld. Er bricht eine Schote von den kleinen Ästchen eines Busches. Darin sind kleine weißliche Kügelchen: Erbsen. Gemüse ist in der Trockenzeit besonders wertvoll. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum der Bauer sein Feld so sehr hütet. Die Straucherbsen hat er auf Anraten von Agraringenieuren gepflanzt. »Ich hoffe, dass mein Boden wieder bessere Ernten bringt, denn die Blätter der Erbsenbüsche geben ihm wichtige Mineralien zurück«, meint Nikki. Die Hülsenfrucht soll gleich mehrere Probleme auf einmal lösen: Sie versorgt den ausgelaugten Boden mit Stickstoff - einem wichtigen Grundbaustein für das Pflanzenwachstum. Außerdem gewinnt der Boden durch das Wurzelwerk wieder an Halt, speichert das Wasser länger und hält Unkräuter fern. Zudem sind Erbsen eine wichtige Proteinquelle für die Bauern, nicht selten leiden gerade Kinder in ländlichen Regionen unter Eiweißmangel.

Statt auf Chemie setzt Nikki nun auf natürlichen Dünger. Der ist umsonst und schont seinen Boden. Schon im ersten Testjahr hat er eine bessere Ernte eingefahren, versichert der Bauer. Die Botschaft dieses GIZ-Programms ist einfach: Anpassung muss weder teuer noch mit Chemie sein. Neben natürlichen Düngepflanzen wie Straucherbsen oder Mukuna empfehlen die Ausbilder den Bauern, auf den Feldern Bäume zu pflanzen, deren Blätter den Boden ebenfalls Nährstoffe und auch Schatten spenden. Sie ermutigen die Bauern zudem, auf hitzebeständigere Sorten umzusteigen und statt bodenintensiven Yams- und Maispflanzen neue Arten auszuprobieren, wie das Getreide Sorghum, das hohe Temperaturen und wenig Wasser eher verträgt.

»Heute gibt es eine Generation von Bauern, die von der Realität abgeschnitten sind und wir müssen sie auf die neuen Bedingungen vorbereiten«, meint Agraringenieur Amadji Firmin. »Sie wissen zwar, wann und zu welchem Moment sie die Maispflanze ausbringen müssen, aber es fehlt das Wissen, wie sie mit der neuen Bodenknappheit und dem Klimawandel umgehen sollen.«

Bauer Nikki ist ganz begeistert von der neuen Wunderpflanze, die seinem Boden neues Leben einhaucht. Deshalb will er sie auch nicht aus den Augen lassen: »Ich bewache mein Feld, damit die ziehenden Rinderherden nicht meine Büsche zerstören«, erklärt der Bauern. Oftmals würden Nomaden ihre ausgehungerten Tiere vom Niger oder Tschad bis hinunter in den Norden des Benins treiben, um noch ein wenig Grün zu finden. Das führt immer öfter zu Streit zwischen Bauern und Nomaden bis hin zu tödlichen Konflikten.

Am Rande von Nikkis Erbsenfeld hat sich eine solche Nomadenfamilie niedergelassen und campt an einem kleinen Rinnsal. Die Frauen waschen Hemden und Tücher in einer Emailleschüssel. Mit ihnen hat der Bauer eine Abmachung. Solange sie seine Erbsen in Ruhe lassen, dürfen sie dort übernachten. »Wir haben jahrhundertelang friedlich mit den Nomaden gelebt, aber in den letzten Jahren gibt es immer mehr Streit, weil auch wir Bauern immer weniger haben«, meint Bauer Nikki.

Früher hätte es mehr Land für weniger Leute gegeben, erzählen Gemeindevertreter der Region Gougounou, zu der das Dorf Wara gehört. Schlechten Boden hätte man einfach ein paar Jahre in Ruhe lassen oder sie hätten sich durch Fruchtwechsel wieder regenerieren können. Heute gebe es mehr Konkurrenz, da sich die Landbevölkerung alle zwei Jahrzehnte verdoppelt. Die Folgen der starken Übernutzung der Böden stellen sozialen Sprengstoff dar: »Unsere Felder sind von der Baumwollproduktion völlig ausgelaugt, schon heute streiten sich Viehhalter und Bauern um die letzten fruchtbaren Flecken«, berichtet Gemeindevertreter Moudachirou Soule. Er sitzt in einem frisch errichteten Bürogebäude gut zwei Stunden südlich des Dorfes Wara.

Bauer Nikki versucht mit den Nomaden eine friedliche Koexistenz. Er wünscht sich, dass es wieder mehr und regelmäßigen Regen gibt, so wie früher. Dann müssten Bauern und Nomaden sich nicht um das letzte Grün streiten. Doch auch, wenn die Agraringenieure den Bauern zeigen können, wie sie sich besser an den Klimawandel anpassen - Regen machen können sie deshalb noch lange nicht.

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