Gib mir deine Hand

Spielzeitauftakt: »Beben« im Theater an der Parkaue

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist Liebe. Die Liebe zum Leben, die sich dem Widersinn des Krieges mal stark, mal hilflos entgegenwirft in der Inszenierung »Beben«. Mit dem Stück von Maria Milisavljevic eröffnete das Junge Staatstheater Berlin seine neue Spielzeit an der Parkaue. Regie führte Volker Metzler. Der neue Schauspieldirektor gab damit einen kraftvollen Einstieg, zeigte, dass er kein Mann des sogenannten Kopftheaters ist, und fand in der erfahrenen Dramaturgin Karola Marsch eine Verbündete. Schauspieler sollen ihren Körper bewegen. Das tun sie dann auch, werfen sich aneinander, aufeinander, zu Boden.

Es wird laut. Leise Töne gehören nicht zu des Krieges Wesen. Ewiges Dröhnen wird beklagt, vieles, was dieser Irrsinn mit vom Krieg betroffenen Menschen macht. Die Autorin abstrahierte und konkretisierte zugleich. Ergebnis ist wildes Spiel voller Brüche mit zwei verbindenden Details. Ein Erzähler zitiert einen Mann von der Kante des Ulro, jenes Landes, das der Dichter Czesław Miłosz schon ausführlich beschrieb. Zum anderen zieht sich die diffizile Annäherung einer Mutter an einen Soldaten der Angreifer durch die Geschehnisse.

Wirkungsvoll wird die 90-minütige Inszenierung neben der Spielfreude der Darsteller durch das begleitende Zusammenspiel erschreckender und einfühlsamer Videos von Wolfgang Gaube in der richtigen Dosis. Poetisch gespenstisch wirkt, wenn sich die Schauspieler an die Wände gelehnt mit sich im Wind wiegenden Ästen vereinen. Dazu kommt ein im Ganzen beachtenswertes Lichtkonzept von Thomas Reisener. Die Bühne, konzipiert von Claudia Charlotte Burchard, wirkt - völlig in Weiß gehalten - mit den beiden künstlerischen Zugaben größer, als sie ist.

Auch die von Burchard entworfenen, teilweise närrisch wirkenden Kostüme sind weiß, sodass anfangs durchaus der Eindruck entstehen kann, was da herumwirbelt, seien Figuren eines von einem Schauspieler am Computer gesteuerten Videospiels. Tatsächlich ist es der Krieg, der alles zum Beben bringend den Rhythmus zivilen Lebens bricht. Der Soldat, der ein Kind auf der Straße erschoss, weil er eine Bombe unter dessen Jacke vermutete, windet sich vor Entsetzen über seine Tat. Die Mutter, die den Tod ihres Kindes betrauert, krümmt sich vor Schmerz. Doch sie nähert sich dem Schützen. Ihr Herz ist voller Leid. Hass verweigert sie sich und fordert: Gib mir deine Hand!

Alles gut gespielt. Am Ende holt Metzler, der in seiner Inszenierung dem chorischen Sprechen viel Raum gibt, das gesamte Ensemble auf die Bühne zu einem Reigen - diabolisch wie der Mann an der Kante von Ulro. Hierfür habe der Regisseur sich Tom Waits hingegeben, mutmaßten Zuschauer nach der Premiere. Nein. Verantwortlich ist Johannes Schäfer, Schauspieler aus dem Ensemble, der für die Musik des Stücks sorgt, die dem Publikum ab 15 Jahren sicher gefällt. Er ist Gründer der Hip-Hop- und Rap-Band »56boys«. Da nennt er sich Kalle Krass. Das passt.

Nächste Vorstellung am 20. September, Theater an der Parkaue, Parkaue 29, Lichtenberg

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