Rechtssicherheit für Datschen- und Garagennutzer aus DDR-Zeiten
Schuldrechtsanpassungsgesetz: Folgenreiches Urteil des Landgerichts Gera
Ein vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) erstrittenes Urteil des Landgerichtes Gera (Az. OVG 9 S 20.16) hat jetzt mehr Rechtssicherheit für Tausende von Datschen- und Garagennutzern mit Verträgen aus der DDR-Zeit geschaffen. Demnach verjährt der Entschädigungsanspruch für das Gebäude bei einer Kündigung erst nach drei Jahren und nicht - wie oft von Grundstückseigentümern und deren Anwälten behauptet - schon nach sechs Monaten.
Hintergrund: Viele Bürger in den neuen Bundesländern nutzen aufgrund eines noch aus DDR-Zeiten stammenden Vertrages ein fremdes Grundstück, auf dem sie einst selbst einen Bungalow oder eine Garage errichtet haben. Sie sind während der Vertragslaufzeit Eigentümer dieser Gebäude; das Eigentum geht aber zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages automatisch auf den Grundstückseigentümer über. Geregelt ist das im Schuldrechtanpassungsgesetz.
Meist haben die einstigen Erbauer dann einen Entschädigungsanspruch entweder entsprechend des Zeitwertes des Bungalows und für die Verkehrswerterhöhung des Grundstücks durch die Bebauung.
Zum Urteil des Landgerichts Gera erklärt der VDGN-Jurist Ulf Mätzig: »Die Klarstellung zur Verjährung durch ein Gericht zweiter Instanz ist ein großer Erfolg, da es eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Problematik nicht gibt. Das Urteil schafft Rechtssicherheit und gibt vielen Datschen- und Garagennutzern die Möglichkeit, den ihnen zustehenden Entschädigungsanspruch in angemessener Zeit notfalls auch gerichtlich durchzusetzen.«
Im speziellen Fall hatte sich der VDGN von einem Mitglied einen Entschädigungsanspruch für eine Garage in der Stadt Altenburg in Thüringen abtreten lassen und diesen nach mehr als sechs Monaten eingeklagt. Der ursprünglich mit der Sache befasste Richter am Amtsgericht Altenburg wollte den Fall offensichtlich schnell vom Tisch bekommen und urteilte: Der Anspruch sei verjährt - die Klage wurde abgewiesen.
Der VDGN, vertreten durch seine Vertrauensanwältin Dr. Karin Schiebler aus Chemnitz, ging in die nächste Instanz. Das Landgericht Gera hob das Altenburger Urteil auf und schloss sich der Argumentation des VDGN an. Entschädigungsansprüche nach dem Schuldrechtanpassungsgesetz verjähren nicht in sechs Monaten, sondern in drei Jahren! Dies gilt nicht nur für Garagen-, sondern auch für Wochenendgrundstücke.
Erläuterung der Rechtslage: Viele Eigentümer und deren Anwälte haben sich bisher auf die sechsmonatige Frist aus dem Mietrecht (§ 548 Abs. 2 BGB) berufen. Der VDGN hingegen vertrat von Anfang an die nun vom Landgericht bestätigte Auffassung, dass diese Vorschrift nicht anwendbar sei und die reguläre Verjährungsfrist des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von drei Jahren gilt.
Die mietrechtliche Vorschrift der sechsmonatigen Verjährung passt nach der nunmehr richterlich bestätigten Rechtsposition des VDGN bereits ihrem Wortlaut nach nicht für Entschädigungsansprüche. Sie betrifft nur sogenannte Aufwendungen des Mieters, die dieser für die Mietsache getätigt hat. Aufwendungen definiert der Jurist als »freiwillige Vermögensopfer«, das heißt, es handelt sich um Investitionen, die fremdem Eigentum (zum Beispiel einer gemieteten Wohnung) zugutekommen.
Entschädigungsansprüche nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz haben aber eine ganz andere Grundlage - sie sind ein finanzieller Ausgleich für den Eigentumsverlust an Bungalow oder Garage. Die Errichtung des Wochenendhäuschens oder der Garage diente nicht dem Zweck, das fremde Grundstück aufzuwerten, es wurde vielmehr als eigenständiges Eigentum für den Nutzer geschaffen.
Zudem wäre es nicht nachvollziehbar, wenn innerhalb von sechs Monaten auf Entschädigung geklagt werden müsste, der Grundstückseigentümer aber im Falle der Kündigung durch den Nutzer die Hälfte der Abrisskosten fordern könnte, wenn er innerhalb eines Jahres nach Besitzübergang die Baulichkeit entfernt. VDGN/nd
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