Polens Präsident will mehr Macht

Mit eigenen Vorschlägen zur umstrittenen Justizreform geht Duda auf Konfrontation mit Kaczynski

  • Wojciech Osinski, Warschau
  • Lesedauer: 4 Min.

Die polnische Regierung hält sich zu den Justizreformvorschlägen von Präsident Andrzej Duda weiter bedeckt. Regierungssprecher Rafal Bochenek sagte am Mittwoch im polnischen Rundfunk, die Vorschläge würden erst rechtlich analysiert und mit verschiedenen Institutionen beraten. Erst dann werde die Regierung Stellung nehmen. Vergangene Woche hatte Staatsoberhaupt Duda seine Änderungsvorschläge für die umstrittene Justizreform unterbreitet und damit den wachsenden Machtansprüchen des Justizministers Zbigniew Ziobro, Dudas früheren Konkurrenten, einen Riegel vorgeschoben. Dudas Gegenentwurf schränkt die Einflussnahme der Regierung bei der Ernennung von Richtern deutlich ein und stärkt stattdessen die Stellung des Präsidenten.

Im Juli hatte Duda gegen zwei von drei der bereits von den beiden Kammern der Nationalversammlung abgesegneten Gesetze ein Veto eingelegt, nachdem es zu landesweiten Protesten gekommen war. Nicht nur die Opposition hielt Ziobros Reform für verfassungswidrig, sondern auch Politiker aus den eigenen Reihen. Jaroslaw Gowin, Minister für Wissenschaft und Bildung in der aktuellen Regierung der PiS (Partei »Recht und Gerechtigkeit«) und ehemaliger Justizminister im Kabinett Tusk, kritisierte den legislativen Amoklauf von Ziobro harsch, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. Besonders umstritten war das Gesetz über den Landesjustizrat, der die Wahl der polnischer Richter verantwortet. Der Entwurf des Justizministeriums, gegen den Duda vor zwei Monaten sein Veto einlegte, hätte die Einflussnahme der mit absoluter Mehrheit regierenden PiS auf die Ernennung der Richter enorm ausgeweitet, weil diese sodann von einer einfachen Mehrheit im Unterhaus gewählt würden.

Dudas Entwurf sieht nun vor, dass eine Zweidrittel-Mehrheit für die Wahl der Richter im Landesjustizrat notwendig sei, wonach PiS-Politiker das Gespräch mit anderen Parteien suchen müssten, um eine Einigung zu erzielen. Sofern sie innerhalb von zwei Monaten nicht zustande käme, würde das Staatsoberhaupt einschreiten und selbst die Richter ernennen. Das Problem ist nur, dass ein derartiges Vorgehen ebenso verfassungswidrig wäre. Daher sieht Duda in diesem Kontext eine weitere günstige Gelegenheit, um sein Projekt einer Verfassungsänderung voranzutreiben, welche die Position des Präsidenten gegenüber der Regierung deutlich stärken würde. Dies gilt im übrigen auch für das Gesetz über den Obersten Gerichtshof, das Duda im Juli ebenfalls abgelehnt hatte. Die Richter sollen zwar im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand versetzt werden, aber über ihren Weiterverbleib im Amt würde erneut der Präsident entscheiden und nicht etwa der Justizminister. Es ist also gleichsam auch ein politischer Hahnenkampf zwischen den früheren Freunden Duda und Ziobro.

Zugleich jedoch wendet sich der Präsident gegen seinen Förderer und PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, der zuvor Ziobros Reformvorschläge ausdrücklich befürwortet hatte. Auch hat Duda am letzten Montag die gängige These seiner Kritiker widerlegt, dass seine Änderungen letztlich dem Willen von Kaczynski entsprächen. »Nach der Verfassungsänderung wird Kaczynski kaum seine Revolution eigenmächtig fortführen können. Er wird weder die Renationalisierung privater Medienhäuser beschleunigen, noch die jetzige Wahlordnung ändern können«, meint Aleksandra Pawlicka, Redakteurin des Wochenmagazins »Newsweek Polska«.

Diejenigen wiederum, die annahmen, Kaczynski begrüße die Autonomie seines politischen Sprösslings, weil dieser sich in der Vergangenheit stets als loyal erwiesen hatte (im Gegensatz zu Ziobro), wurden jüngst ebenfalls eines Besseren belehrt. In der konservativen Zeitung »Sieci Prawdy« forderte Kaczynski: »Nun muss der Präsident zeigen, ob er mit oder gegen uns ist«. Es geht natürlich nicht nur um machtpolitische Muskelspiele, sondern schlichtweg um die inhaltlichen Punkte der kontroversen Reform. Vizepremier Gowin konnte sich zwar keine offene Kritik erlauben und stimmte für die Gesetzesentwürfe des Justizministeriums, aber ermutigte seinen früheren Stellvertreter und Rechtswissenschaftler Michal Krolikowski, dem Beraterstab von Duda beizutreten. Tatsächlich hatte Krolikowski anschließend in den Medien die Projekte Ziobros immer wieder als »unvernünftig« angeprangert.

Duda weiß unterdessen auch ohne eine Verfassungsänderung seine Machtansprüche zu festigen. Die regelmäßig aufflammenden Konflikte mit dem einflussreichen Verteidigungsminister und PiS-Vize Macierewicz sind bekannt. Als Duda unlängst erfuhr, dass die Chefin seiner Amtskanzlei, Malgorzata Sadurska, der PiS-Zentrale offenbar permanent Informationen aus dem Präsidentenpalais zutrug, wurde sie kurzerhand entlassen. Seitdem umgibt sich das Staatsoberhaupt nur mit ausgewählten und loyalen Mitarbeitern. Ist das wirklich verwunderlich? War es doch Jaroslaw Kaczynski, der ihn in die Kunst der Politik eingeführt hat.

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