Entenspiel im Off
Kriminaltheater: »Ein Mord wird angekündigt«
Nach neuem Klatsch im Provinzkurier giert ganz Chipping Cleghorn. Auch im Hause Blacklock wird freitags nach ihm gegriffen, sind die Anzeigen stets ein Quell des Vergnügens. Diesmal auch des Schreckens, wird doch für kommenden Abend ein Mord im eigenen Domizil angekündigt. »Freunde und Bekannte sind herzlich eingeladen ...«
Wolfgang Rumpf inszenierte den Besuch nach dem 1950 erschienenen Roman »Ein Mord wird angekündigt« von Agatha Christie. Die Bühne fährt Kontrastprogramm. Neben Gegenwartsthrillern kommt mit dem Stück wieder ein Klassiker ins Spiel. Spannend daran war schon, wie Rumpf es schaffen wird, das halbe Dorf davon abzubringen, tatsächlich einzutrudeln wie im Buch. Er lässt Leute erkranken, anderswo unterwegs sein. Weitere werden am Telefon abgewimmelt.
Aufgebrummt wird dem ermittelnden Inspektor Craddock jedoch eine ältere Dame, deren Spürsinn einen pensionierten Kollegen faszinierte. Zufällig sei diese Jane Marple gerade bei ihrem Neffen im örtlichen Pfarrhaus zu Besuch. Rumpf holt sie schneller als im Buch in die Handlung. Widerwillig begegnet ihr Craddock. Er und Marple beharken sich zunächst arrogant, lösen aber den Fall gemeinsam.
Rumpfs Marple ist keine charmante alte Jungfer, sondern eine scharfsinnige junge Alte, für die er Gundula Piepenbring glaubwürdig einsetzt. Als ihr Widerpart Craddock bringt Karl-Heinz Barthelmeus Verve mit. Unglaubliche Verstrickungen erdachte Christie um Morde im Roman, in dem kaum jemand der ist, der er zu sein vorgibt. Die Regie konzentriert sich auf die wesentlichsten und hält so gekonnt die Spannung.
Beherrscht im Spiel ist Katrin Martin als Letitia Blacklock. Fröhlich um sie herum sorgt Vera Müller als ihre altersmerkwürdige, Freundin Dora für Komik. Auch gemeinsam mit den im Roman keineswegs nebensächlichen Enten im Off. Hysterisch wie Agatha Christie sie erdachte, spielt Susanne Meyer die Köchin Mitzi mit Sirenenstimme. Gläser könnten bei ihrem Lachen zerspringen.
Einiges kommt durch die Hintertür. Was haben eigentlich die für länger im Hause aufgenommenen jungen Leute zu verbergen? Maria Jany als überzeugend sanftmütige Philippa, Alexandra Maria Johannknecht und Oliver Gabbert herrlich spottend als Julia und Patrick deckeln ein Menge Fakten. Und was macht den häufigen Besucher Edmund Swettenham verdächtig? Dessen Verlegenheit, die der Regisseur da Gunnar Haberland auferlegt, wirkt etwas albern.
Aus dem Fundus holte Mirjam Kastner die Kostüme. Überwiegend scheußlich, jedoch für die fünfziger Jahre auf dem englischen Lande sicher treffend. Sachlich dazu das Bühnenbild von Manfred Bitterlich mit Gazettenschriftsatz beklebten Möbeln vor altrosa Hintergrund mit einer Karikatur der Christie. Die Ahnung, sie würde diese Krimödie mit Augenzwinkern sehen, erfüllt sich.
Nächste Vorstellungen ab 8. Oktober im Kriminaltheater, Palisadenstr. 48, Friedrichshain
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