Das strömende Organ

Von Iris Rapoport , Boston und Berlin

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu allen Zeiten hat das Blut die Fantasie der Menschen beflügelt. Seit jeher steht es zugleich für Leben und für Vergänglichkeit.

Doch auch jenseits von Mystik und Poesie ist Blut höchst ungewöhnlich.

Es ist ein Organ, das fließt. Ein Organ, bei dem nur ein Teil der für seine Funktion notwendigen Proteine sich innerhalb von Zellen befindet. Die übrigen bilden eine proteinreiche Flüssigkeit, Blutplasma genannt, in der die Blutzellen schwimmen. Alle Blutzellen, ob weiß oder rot, entstehen aus den Stammzellen des Knochenmarks (nicht zu verwechseln mit dem Rückenmark).

Beim Durchströmen der Adern durchquert das Blut die anderen Organe des Körpers. Dies dient zuvörderst dem Transport. Nur wenige Gewebe werden ausgespart. Die Augenlinse gehört dazu. Das ist verständlich. Sie muss glasklar sein. Auch Knorpel werden nicht versorgt.

Im Körper muss eine Unmenge transportiert werden. Zunächst Nährstoffe, Vitamine, Mineralien und Spurenelemente. Die müssen vom Darm zu den Organen gelangen, in denen sie gebraucht oder gespeichert werden. Oder aus den Speichern zum Ort ihrer Verwertung.

Wasserlösliche Verbindungen wie Blutzucker werden dabei gelöst transportiert. Unlösliches hingegen wird an sogenannte Transportproteine gebunden. Die stammen zumeist aus der Leber. Mengenmäßig herrscht dabei das Albumin vor. Das ist nicht wählerisch. Es kann ebenso Fettsäuren transportieren, die aus den Fettspeichern kommen, wie Vitamine, Kalzium oder auch Arzneiwirkstoffe. Für die Nahrungsfette, darunter Cholesterin, reicht das Albumin jedoch nicht. Hier müssen spezielle Eiweiße die Bildung löslicher Lipoproteine vermitteln. Insgesamt kennt man über hundert Proteine, die spezifische Transportaufgaben erfüllen. Transferrin etwa befördert Eisen, Transcobalamin nimmt Vitamin B12 mit.

Schließlich müssen Zwischen- und Endprodukte des Stoffwechsels befördert werden. Oder auch giftige Stoffe. Alles, was wasserlöslich ist, wie Harnstoff, wird zur Niere geschafft. Alles Unlösliche zur Leber (und von dort mit der Galle letztendlich in den Darm).

So zeigt sich das Blutplasma als der große Mittler zwischen allen Organen. Aber den lebensnotwendigen Gastransport kann es allein nicht bewältigen. Dazu bedarf es der roten Blutzellen. Die bringen Sauerstoff von der Lunge in die Gewebe; Kohlendioxid wandert den umgekehrten Weg.

Doch nicht nur Stoffe werden transportiert. Auch Informationen. Hormone im Blut, von Drüsen oder speziellen Zellen gebildet, regulieren die Arbeit der Organe. Zudem wirkt das zirkulierende Blut wie die Flüssigkeit einer Kühlschlange und leitet Wärme aus dem Innern des Körpers zur Haut.

Schließlich patrouillieren Elemente unseres Abwehrsystems mit dem Blutstrom und schützen vor Krankheitserregern. Dazu zählen alle weißen Zellen und etliche Proteine des Blutplasmas. Und nicht zu vergessen: Mit den Gerinnungsfaktoren schwimmt ständig ein Erste-Hilfe-Kit mit.

»Blut ist ein ganz besonderer Saft« - treffender als der alte Geheimrat Goethe es sagte, lässt es sich wahrlich nicht fassen.

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