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Österreich streitet weiter ums Verschleierungsverbot
Wienerin zog ihren Schal zu hoch / Viele nichtreligiöse Verhüllungen geahndet
Kaum ein Tag vergeht ohne Lachnummer an der Burkafront. Einmal ist es ein als Haifisch verkleideter Promotor vor einem neu eröffneten Geschäft, ein anderes Mal ein Provokateur mit einer Maske von Außenminister und Wahrscheinlich-bald-Kanzler Sebastian Kurz, nur selten aber sind es muslimische Frauen mit Burka oder Nikab, die ins strenge Auge des Gesetzes stechen. Von den 30 einschlägigen Amtshandlungen in der Bundeshauptstadt in der ersten Oktoberhälfte betrafen ganze vier Frauen mit echtem Gesichtsschleier.
Schal ist wie Burka
Weil es ein Burkaverbot genau genommen gar nicht gibt, sondern zwecks verfassungsrechtlich gebotener Vermeidung jeglicher Diskriminierung nur ein allgemeines Verbot der Gesichtsverhüllung, gerät die Vollziehung dieses Gesetzes zur Posse. So wurde dieser Tage die an der Wiener Universität tätige Psychologin Nora Maria Först auf der Straße von zwei Polizisten angehalten, weil sie einen Schal trug, der Mund und Nase bedeckt hatte. Die 28-jährige ist ganz offensichtlich keine Muslimin und ihr Schal erinnert nicht im Entferntesten an ein religiös konnotiertes Kleidungsstück.
Vorschrift ist Vorschrift!
Dennoch gilt in Österreich mehr als anderswo: Vorschrift ist Vorschrift. Und deshalb fällt ein vors Gesicht gezogener Schal seit 1. Oktober unters neue Verbotsgesetz. Die Rechtfertigung der jungen Dame, der Schal sei ihr nur vors Gesicht gerutscht, weil sie nach unten auf ihr Handy geschaut habe, dürfte die amtshandelnden Beamten auch deshalb nicht milde gestimmt haben, weil sich die beamtsbehandelte Person noch dazu eine gewisse Widerspenstigkeit anklingen ließ. Frau Först befand nämlich dieses Gesetz für »lächerlich« und fragte auch noch, warum sie ihren Ausweis zeigen müsse.
Das werteten die Polizisten, wie es im Dienstbericht heißt, als unkooperatives Verhalten. Und weil die Schalträgerin die ihr deshalb aufgebrummt Strafe von 50 Euro nicht zahlen wollte, wurde sie angezeigt und hat nun ein Strafverfahren am Hals. Mit einem Wiener Top-Anwalt will sie aber bis zum Höchstgericht gehen und, wenn nötig, auch vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ihr Recht auf den Schal vor Mund und Nase durchsetzen.
Was tun bei Minusgraden?
Die Polizisten an der Front trifft zwar der Spott und Zorn, eigentlich sind aber auch sie Opfer eines Gesetzes, das in dieser Form kaum vollziehbar, aber ohne Diskriminierung der eigentlichen Zielgruppe nicht klarer formulierbar ist. Und das Schalproblem beginnt ja erst mit sinkenden Temperaturen ein richtig haariges zu werden. Im derzeit relativ warmen Herbst verspüren nur wenige Frauen den Drang, sich einen Schal um den Kopf zu wickeln. Was aber, wenn es wirklich Minusgrade hat und die Polizei mit einem kollektiven Verschalungsbedürfnis konfrontiert wird?
Die Antwort darauf hat man im zuständigen Innenministerium noch nicht gefunden und wird man auch schwerlich finden. »Der Gesetzgeber hat keine Temperaturen festgelegt«, beklagt Ministeriumsprecher Karlheinz Grundböck. Es war freilich die ÖVP von Innenminister Wolfgang Sobotka, welche gemeinsam mit dem voraussichtlich nächsten Koalitionspartner FPÖ dieses Burkaverbot im Parlament forciert hatte. Dass Motorradfahrer beim Tankstopp den Helm aufbehalten dürfen und zu Halloween ebenso wie im Fasching Maskieren erlaubt ist, hat das Ministerium inzwischen schon außer Zweifel gestellt.
Provozierte Provokation
Verschärft wird dieses Staatskabarett noch durch jene Provokationen, zu der sich manche renitenten Bürger durch die gesetzliche Absurdität provoziert fühlen. Spaßvögel bedecken ihr Gesicht auf irgendeine Art, um die zum Einschreiten verpflichteten Beamten auf Trab halten. Denn: »Tatprovokationen sind wie tatschliche Verstöße zu behandeln«, heißt es in einer polizeilichen Dienstanweisung.
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