Mit chinesischer Tusche gegen Krebs?

Von Reinhard Renneberg , Innsbruck

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Hu-Kaiwen-Tusche kennt jeder Chinese von Kindesbeinen an. Die schwarze Flüssigkeit wird schon seit Jahrtausenden für Kalligrafie und Zeichnungen genutzt. Ihre tiefschwarze, sehr haltbare Farbe hat sie von kleinen Rußpartikeln aus verkohltem Pflanzenmaterial.

Doch Hu Kaiwen scheint mehr zu können. Forscher um Wu-li Yan von der Fudan-Universität Schanghai schlagen im US-Fachblatt »ACS Omega« (DOI: 10.1021/acsomega.7b00993) vor, die feinen Partikel der Tusche in der Krebstherapie einzusetzen.

Nicht der Primärtumor ist oft das Hauptproblem, sondern die aus ihm entstehenden Metastasen. Die bösartigen Zellen breiten sich rasant über Blut und Lymphgefäße im Körper aus und bilden in anderen Organen Sekundärtumore. Chirurgen entfernen deswegen vorbeugend Lymphknoten in der Nähe des Primärtumors, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Die Frage ist aber, welche Lymphknoten überhaupt befallen sind.

Die Tusche ist nun Lösungen sehr ähnlich, die für die Photothermische Therapie (PTT) verwendet werden. Dabei wird ein stark lichtabsorbierendes Mittel in den Tumor gegeben und dieser mit Infrarotlicht bestrahlt, so dass sich der Tumor stark aufheizt. Die Krebszellen sterben ab. Man erinnere sich an Ardennes Mehrschritt-Therapie ...

Bisher wird die PTT vor allem gegen Hautkrebs und andere oberflächliche Tumore eingesetzt. Man könnte damit aber auch gezielt von Krebs befallene Lymphknoten zerstören.

Die Tusche besteht aus Kohlenstoffpartikeln, die ihre höchste Lichtabsorption bei Wellenlängen von 650 bis 900 Nanometern haben. Sie absorbieren damit das Licht genau in dem Bereich des nahen Infrarots, für den Blutzellen und Wasser kaum sensibel sind - und in dem die PTT üblicherweise durchgeführt wird. Bestrahlten die Forscher die Tusche mit einem 880-Nanometer-Laser, wandelte sie 39 Prozent des Lichts in Wärme um und heizte sich dadurch innerhalb von fünf Minuten auf.

Tatsächlich ein neues Anti-Krebsmittel? In der mit Hu-Tusche versetzten Zellkultur waren nach der Bestrahlung fast sämtliche Zellen tot, berichten Yan und seine Kollegen. Analog bei Mäusen mit einem Tumor an der Pfote, der bereits angefangen hatte zu metastasieren. Die Forscher injizierten die Tusche in den Tumor und bestrahlten ihn 24 Stunden später mit Nahe-Infrarot-Licht. Die Tumorzellen starben ab, Schäden an normalem Gewebe oder andere Nebenwirkungen traten nicht auf.

Spannender aber ist: Die Hu-Tusche reichert sich in den Krebszellen an und wandert mit ihnen durch den Körper. Bei Bestrahlung reagiert dann die Tusche mit Wärme und Fluoreszenz. So lassen sich Metastasen markieren und aufspüren. In Primärtumore von Mäusen gespritzt, konnte man 24 Stunden später die Signale der Tusche in den umliegenden Lymphknoten nachweisen.

Meister Konfuzius über die Tusche: »Tusche zerfließt wie das Leben. Ein Bild vergeht erst mit dem Betrachter.«

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