Kämpfen statt Ertrinken

Bei der Demonstration für den Kohleausstieg am Samstag waren Aktivisten aus der Pazifikregion die Ehrengäste

  • Friederike Meier, Bonn
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie weitläufig so ein Braunkohletagebau ist, kann sich Joseph-Zane Sikulu nicht vorstellen, denn er hat noch nie einen gesehen. Aber Sikulu weiß, dass die Braunkohle, die dort abgebaut wird, indirekt etwas mit seinem Leben zu tun hat. Der Klimaaktivist mit dem freundlichen Gesicht und dem Bart ist nach Deutschland gekommen, um für den Kohleausstieg zu demonstrieren. Sein Heimatland, der Inselstaat Tonga im Pazifik, liegt nur wenige Meter über dem Meeresspiegel und ist besonders vom Klimawandel bedroht.

Auf der Demo an diesem Samstag in Bonn gehört Aktivist Sikulu von der Gruppe »Pacific Climate Warriors« zu den Ehrengästen. An die 25 000 Menschen sind zusammengekommen, um für mehr Klimaschutz und den Kohleausstieg zu demonstrieren. Zu der Aktion hat ein Bündnis aus Umweltorganisationen wie Greenpeace, BUND, Nabu und Campact aufgerufen. Die »Pacific Climate Warriors« repräsentieren den Kohle-Widerstand der Pazifikregion.

Vordergründiger Anlass ist der UN-Klimagipfel, der in den kommenden zwei Wochen in Bonn stattfindet. Besonders präsent sind die Pazifikstaaten in diesem Jahr, weil der Inselstaat Fidschi den Gipfel mit der Nummer 23 ausrichtet - weil das Land dessen Organisation nicht alleine stemmen kann, findet die Konferenz in der deutschen Ex-Hauptstadt statt.

Mittags um zwölf kommen die Leute auf dem Bonner Münsterplatz zusammen. »Wir fordern von den Grünen, dass der Kohleausstieg die ›rote Linie‹ ist, die wir nicht überschreiten dürfen«, ruft der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger, auf der Auftaktkundgebung - in Anspielung auf die laufenden Sondierungsverhandlungen zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen.

Und kämpferisch geht es weiter. Insa Vries, Sprecherin vom Aktionsbündnis »Ende Gelände«, betritt die Bühne. »Wir müssen uns gegen ein CO2-Feilschen auf dem Klimagipfel stellen und sofort aus der Kohle aussteigen«, sagt sie unter lautem Jubel der Zuhörer.

Bei Sonnenschein setzen sich die Leute in Richtung Bonner Messegelände in Bewegung. Die »Pacific Climate Warriors« sind in der ersten Reihe zu finden, gekleidet in schwarz-gelben traditionellen Gewändern. »We are not drowning - we are fighting«, also »Wir ertrinken nicht - wir kämpfen« rufen sie und stimmen Protestlieder an. Andere Aktivisten tragen ein meterlanges rotes Banner. Das soll die »rote Linie gegen Kohle«, das Motto der Demonstration, symbolisieren. Viele haben sich dazu selbst rot angezogen. Die Outfits reichten von farblich passenden Königsmänteln bis hin zu Fan-Shirts des 1. FC Köln.

»Ist das hier so was wie in Hamburg?«, fragt eine Passantin, vermutlich an die Proteste gegen den G20-Gipfel im Juli denkend. Ihre Begleitung antwortet: »Nein, nein, das ist nicht so schlimm, nächste Woche wird schlimmer.« Bonn wird nicht zur Ruhe kommen. Auch am nächsten Wochenende sind Proteste geplant, ein weiteres Bündnis ruft für den 11. November auf zur Demonstration unter dem Motto »Wir treiben die Geister des Klimawandels aus«.

Bei bestem Wetter erreicht der Protestzug schließlich sein Ziel in der Nähe des Bonner Messegeländes, wo der Klimagipfel stattfinden wird. BUND-Chef Weiger ist anschließend begeistert: »Das war tatsächlich die internationalste, die bunteste, die emotionalste Demonstration - und ich habe schon viele Demos mitgemacht.«

Dass die Aktivisten aus Fidschi dabei waren, freut ihn ganz besonders: »Das hat die Dimension auch unseres Einsatzes klargemacht. Wir kämpfen eben nicht nur gegen den Braunkohleabbau im Hambacher Forst und die damit verbundene Umweltzerstörung, sondern wir kämpfen auch gegen die Folgen des Klimawandels.«

Darüber macht sich Joseph-Zane Sikulu aus Tonga besonders Sorgen: »Es heißt, wenn der Klimawandel so weitergeht wie bisher, wird ein großer Teil unserer Hauptinsel im Jahr 2050 verschwunden sein. Deshalb brauchen wir jetzt einen Wandel«, sagt er leidenschaftlich. Dass dieser Wandel auf dem Klimagipfel beschlossen wird, ist allerdings nicht geplant: Es stehen vor allem technische Details zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens auf der Agenda.

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