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Wie Immobilienfirmen Steuerschlupflöcher nutzen
Die Firma Phoenix Spree Deutschland soll durch Share Deals Steuern gespart haben
»Ich habe den oben stehenden Haftungsausschluss gelesen und verstanden und stimme ihm zu.« Erst wer diesem auf Englisch formulierten Satz mit Klick auf den »Ich-bestätige«-Button zustimmt, darf sich die Webseite der Firma Phoenix Spree Deutschland ansehen. Auf der ebenfalls englischsprachigen Seite erfährt der Leser, Phoenix Spree sei ein Investor im mittleren Marktsegment im deutschen Wohnimmobilienmarkt. 80 Prozent der Wohnungen im Besitz der Firma befinden sich in Berlin - rund 1700 Wohnungen.
Medienberichten zufolge findet sich der Name der Firma in den Paradise Papers, wie das Recherchekonsortium unter anderem aus »Süddeutscher Zeitung«, NDR und WDR ihre neuesten Veröffentlichungen zu mehreren geleakten Dokumenten über Steueroasen genannt hat. Die Firma steht demnach beispielhaft dafür, wie Unternehmen mit sogenannten Share Deals Schlupflöcher der Gesetzgebung ausnutzen, um Steuern zu sparen. Die Quellen, auf die sich das Recherchekonsortium bezieht, sollen in den nächsten Wochen veröffentlicht werden.
Bei Share Deals wird nicht eine Immobilie verkauft, sondern Anteile einer Firma, der die Immobilie gehört. Bleibt der gekaufte Anteil unter 95 Prozent der Gesamtkosten, entfällt die Grunderwerbsteuer. Zu dem Zweck werden eigens Firmen gegründet, denen jeweils nur die zum Verkauf stehende Immobilie gehört. Laut »Süddeutscher Zeitung« soll auch Phoenix Spree Deutschland einen Share Deal eingegangen sein, als die Firma 2015 etwa 94,8 Prozent der Anteile an der Investmentgesellschaft Phoenix Spree Property Fund erwarb.
Laut Firmenwebseite besitzt Phoenix Spree in Berlin heute Häuser mit jeweils unter 40 Wohnungen. Diese bewirbt die Firma als ein »gutes Langzeit-Investment«. Plattenbauten und »große Komplexe mit Sozialwohnungen« seien nicht dabei. Auf seiner Kontaktseite verweist das Unternehmen auf die Core Immobilien Management GmbH. Deren Sprecherin gibt an, »einige« Immobilien von Phoenix Spree zu verwalten. Fragen zur Zahl der Wohnungen im Portfolio der Firma und zu möglichen Share Deals und Steuerersparnissen will die Sprecherin nicht beantworten.
Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen schätzt, dass dem Land Berlin durch Share Deals pro Jahr über 100 Millionen Euro an Steuereinnahmen entgehen. »Ich habe kein Verständnis dafür, dass große Unternehmen Steuersparmodelle wie den Share Deal ausnutzen, um die Grunderwerbsteuer zu umgehen. Das ist ungerecht«, sagte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) Anfang Oktober.
Um das Steuerschlupfloch zu stopfen, muss die Gesetzeslage auf Bundesebene geändert werden. »Die Bundesländer haben bereits in der Vergangenheit viel Druck ausgeübt, um die gröbsten Schlupflöcher bei der Grunderwerbsteuer zu stopfen«, sagte Eva Henkel, Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen, am Montag dem »nd«. Eine von der Finanzministerkonferenz eingesetzte Länderarbeitsgruppe arbeite derzeit an Lösungsvorschlägen für Share Deals. Diese würden gegenwärtig auch auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft.
Bisher sind Share Deals vollkommen legal. Es ist erlaubt, Firmen zu gründen, die allein dem Zweck dienen, verkauft zu werden, damit ihr Eigentum den Besitzer wechseln kann. »Wenn aber die dahinter stehenden Personen (oder weitere Gesellschaften) zu wesentlichen Teilen ausgetauscht werden, handelt es sich offensichtlich um Steuerumgehungsmanöver«, sagte Henkel.
Reiner Wild vom Berliner Mieterverein nennt Share Deals ein »beliebtes Instrument« von Investoren. »Es ist eine alte Forderung des Mietervereins, dass der Staat dieses Schlupfloch schließt«, sagte Wild dem »nd«. Das Engagement des Finanzsenators, eine Gesetzesänderung herbeizuführen, begrüßt er. Und er sieht »Umsetzungschancen«, da alle Bundesländer ein Interesse daran hätten, ihre Einnahmen durch eine höhere Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Doch sie müssen sich gegen den Bund durchsetzen. »Denn der hat nichts davon.« Die Einnahmen aus der Steuer kommen allein den Ländern zugute.
Update:
Nach Redaktionsschluss am Montagabend wandte sich eine Vertreterin von Phoenix Spree Deutschland an das »nd« und erklärte die in der Printversion genannte Zahl von 40 Milllionen Euro, die die Firma 2016 Medienberichten zufolge allein 2016 am Fiskus vorbeigeschleust haben soll, für falsch. Da die Zahl nicht verifiziert werden kann, wurde die Online-Version des Textes entsprechend geändert.
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