Kein rechter Durchmarsch in Chile

Die politischen Lager rüsten jetzt zur Stichwahl um die Nachfolge der sozialistischen Präsidentin Bachelet

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Kampf um die chilenische Präsidentschaft sind seit Sonntag die Karten neu gemischt. Mit nur 36,6 Prozent der Stimmen hat der Konservative Sebastián Piñera in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl die erforderliche Mehrheit von mehr als 50 Prozent der Stimmen deutlich verfehlt. Zugleich schaffte der Mitte-links-Kandidat Alejandro Guillier mit 22,7 Prozent den Einzug in die zweite Runde. Wer die Nachfolge der sozialistischen Präsidentin Michelle Bachelet antreten wird, wird am 17. Dezember entschieden.

Für die große Überraschung des Wahlsonntags sorgte Beatriz Sánchez. Zwar verfehlte die 46-jährige Linke den Einzug in die Stichwahl. Mit 20,3 Prozent der Stimmen lag sie jedoch weit über den für sie vorhergesagten 8,5 Prozent. Damit ist die Kandidatin der Frente Amplio zur entscheidenden Kraft in der Stichwahl avanciert. »Wir werden die politische Landkarte Chiles verändern«, rief sie sichtlich bewegt ihrer jubelnden Anhängerschaft zu.

Das Breite Bündnis (Frente Amplio) aus rund einem Dutzend kleiner linker Parteien sowie sozialer, ökologischer, feministischer und studentischer Gruppierungen war erst im vergangenen Februar gegründet worden. Rasch wurde es zum Sammelbecken für jene, die vom Regierungsbündnis von Präsidentin Bachelet enttäuscht wurden, darunter auch die populären ehemaligen Studierendenanführer Gabriel Boric und Giorgio Jackson.

Sollte sich die Frente Amplio für eine Unterstützung Guilliers in der Stichwahl aussprechen, hätte dieser gute Chancen, in den kommenden Wochen eine breite Allianz gegen Rechts zu schmieden. Die Annäherung dürfte jedoch nicht einfach werden. Der 64-jährige Guillier trat als unabhängiger Kandidat einer Koalition aus SozialistInnen, SozialdemokratInnen und KommunistInnen an und hatte im Wahlkampf versprochen, Bachelets Reformpolitik fortzusetzen.

Der 67-jährige Sebastián Piñera blieb überraschend klar unter den für ihn vorhergesagten 44 Prozent der Stimmen. Piñera war bereits von 2010 bis 2014 Präsident und trat am Sonntag für das Mitte-rechts-Bündnis »Chile Vamos« an. Sein Versprechen von Wirtschaftswachstum und die Ankündigung, Staatsausgaben senken zu wollen, brachte nicht die erhoffte Zahl an Stimmen.

Entsprechend zurückhaltend trat er am Wahlabend auf: »Jetzt beginnt eine neue Etappe und wir werden mit Bescheidenheit, mit Verbindlichkeit und mit Hoffnung weiter arbeiten«, sagte Piñera. Ausdrücklich beglückwünschte er den Rechtsaußen-Kandidaten José Antonio Kast zu dessen Achtungserfolg. Kast, der sich in der Tradition des früheren Diktators Augusto Pinochet sieht, erhielt 7,9 Prozent der Stimmen. Noch am Wahlabend sagte er Piñera seine Unterstützung zu.

Die Verteilung der Karten lässt auf einen Lagerwahlkampf in den kommenden Wochen schließen. Entscheidend für die Stichwahl wird jedoch nicht nur das Addieren der abgegeben Stimmen sein. Nur 44 Prozent der rund 14,3 Millionen Wahlberechtigten gingen zu den Urnen. Die Mehrheit blieb mit gut acht Millionen Stimmen den Wahllokalen fern. In den kommenden 28 Tagen dürfte das Werben um sie stärker in den Mittelpunkt des Wahlkampfes rücken.

Entschieden ist schon jetzt die Zusammensetzung des künftigen Kongresses. Denn am Sonntag standen auch die 155 Abgeordneten des Unterhauses und die Hälfte der 46 Senatorenposten zur Wahl. Mit 72 Abgeordneten wurde das Mitte-rechts-Bündnis Chile Vamos im Unterhaus zur stärksten Kraft, verfügt damit aber über keine Mehrheit. Das Mitte-links Regierungsbündnis Fuerza de la Mayoría stellt künftig 43 Abgeordnete, während für die linke Frente Amplio auf Anhieb 20 Abgeordnete ins Unterhaus einziehen. Von den übrigen 20 Mandaten entfallen 14 auf die Christdemokraten. Vorne liegt Chile Vamos auch knapp im zukünftigen Senat mit 29 Senatoren, Fuerza de la Mayoría erhält 28, die Christdemokraten 13 und die Frente Amplio einen Sitz.

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