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Das Hoffen ist der Himmel
Gedichte aus vielen Kulturen zu den großen und kleinen Fragen des Glaubens
Wer Gott aus der Kunst nähme, wäre unzweifelhaft deren Vernichter. Wer sagt, es gebe Gott nicht, hat ihn schon wieder geschaffen. Alles, was über Gott gesagt wird, ist gleich richtig und gleich falsch. Keiner vermag ihm zu entsprechen. Wir ergreifen darüber das Wort - um zu erfahren, dass es sich entzieht.
• Die Erde spricht mit Gott. Gedichte. Hg. v. Hiltrud Herbst u. Doris Mendlewitsch.
Daedalus Verlag, 216 S., geb., 19,95 €.
»Die Erde spricht mit Gott« heißt dieser Band mit 200 Gedichten, »G.« betreffend. Zehn Kapitel mit reizenden Titeln: etwa »Ehre sei Gott für diese getigerte Welt« oder »Das erste Foto von Gott« oder »In eurer Konfessionen lieb Gewirrchen«. Es geht japanisch zu und persisch, mystisch und - sehr konkret: Die arabisch-islamische Glaubenswelt spricht wie die indianische vom »Geschmack« Gottes, und also ist es nicht weit bis zu Haschisch und anderen halluzinogenen Schubkräften.
Die schöne Vielstimmigkeit dieser Anthologie - die vom Inder Arjan bis zum Israeli Amichai reicht, von der Droste-Hülshoff bis zum Tibeter Pakme - ist Antwort auf einen linguistischen Nihilismus, der offenbar brüchig wurde: Nach einer langen autoritätsvergessenen Zeit scheint das Empfinden für Bedeutung und Richtung wieder zu wachsen. Wir wissen nicht, was gilt - in dieser Weisheit wurzelt gestiegene Neigung, auf Suche zu gehen.
Der Literaturkritiker Stefan Weidner schreibt im einleitenden Essay, die Lyrik sei »eine Zwillingsschwester des Gottglaubens«, ganz im Sinne Erich Mühsams: »Des Menschen Himmel ist allein sein Hoffen.« Hoffen darauf, dass hinter den Dingen ein richtendes Element wirkt, das größer, mächtiger ist, als wir selber es je sind. Etwas, das unserem eigenen Handeln genau so viel Wert gibt, wie es zugleich verhindert, dass dieses Wertbewusstsein in eine Anmaßung gegen andere umschlägt. Wo die Entzauberung am stärksten ist, wächst zwar nicht die Rettung, aber doch der Traum davon. Die Ent-Zauberung ist jener Widerspruch, den der Intellekt nicht auflösen, den aber ein jeder Glauben so ausdrücken kann, dass Lebenslust aufrechterhalten bleibt in diesem dauernd diensttuenden Nichts. In diesem »stahlharten Gebäude« Welt, wie Max Weber schrieb.
Gott: »Viele sagen, du bist nicht und das sei besser so./ Aber wie kann das nicht sein, das so betrügen kann?« Fragt Brecht. »Was ich begehr in deinem Angesicht,/ dem sehn die Menschen unverständig zu,/ und wer es wissen will, der muss erst sterben.« Weiß Michelangelo. »Glaub an Gevögel aller Art/ An Engel, Adler, Spatzen/ Schluck als Oblate Jesu Leib/ Kau Körner, Nägel, Matzen/ Glaub noch absurder ohne Grund/ An Menschen. Glaube dich gesund«. Ermuntert Biermann.
Zuversicht entspringt in diesem Band nicht einer beruhigenden Anschauung der Welt, sondern just der Zerrissenheit einer unverhüllt gelebten und erlittenen Existenz jedes Menschen - die aber eben immer wieder ein unstillbares Bedürfnis nach Aufhebung aller Spannungen erzeugt. Nie werden sie aufgehoben werden können (man lese nur Celan), doch das Bedürfnis danach bleibt unsterblich. Und ist also ein wahrhaft herzrührender, ewig wacher Glaube.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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