Kitarovic auf Friedensmission

Die kroatische Präsidentin besucht Bosnien, um nach Urteilen in Den Haag die Gemüter zu beruhigen

  • Elke Windisch, Dubrovnik
  • Lesedauer: 3 Min.

Kroatiens Präsidentin reist diese Woche nach Bosnien: Kolinda Grabar Kitarović will damit die weitere Verschlechterung der bilateralen Beziehungen verhindern. Der Grund: Das internationale Jugoslawien-Tribunal hatte in letztem Urteil Ende November sechs Führer eines kroatischen Para-Staates, der zwischen 1992 und 1994 in Bosnien bestand, wegen schwerer Kriegsverbrechen zu insgesamt 111 Jahren Haft verurteilt. Die Richter bestätigten damit ein erstinstanzliches Urteil von 2013, welches Franjo Tudjman - Kroatiens erstem Präsidenten - »Beteiligung an einem verbrecherischen Unternehmen« und der Republik Kroatien »Einmischung in einen ausländischen bewaffneten Konflikt« vorwarf.

Entsprechend hoch gingen die Wogen in Zagreb, bei Opposition wie Regierung. Sogar Expräsident Ivo Josipovic, ein Rechtsprofessor, kritisierte die indirekte Verurteilung seines Vorgängers, gegen den das Tribunal nie ermittelt und schon gar nicht Anklage erhoben hatte. Regierungschef Andrej Plenković lässt »juristische und politische Mittel« prüfen, um »bestimmte Feststellungen des Urteils anzufechten«.

Das wiederum empörte die Regierung in Sarajevo. Deren Verhältnis zu Zagreb ist wegen einer Brücke über die Adria ohnehin gespannt, die Süddalmatien mit dem Rest Kroatiens verbinden soll. Derzeit trennt beide Landesteile ein 19 km breiter bosnischer Korridor. Bosnien fürchtet um den eigenen Zugang zu internationalen Gewässern und droht mit Blockade des Projekts. Brüssel schweigt, obwohl es die Brücke zu 85 Prozent finanziert: Mit ihr steht und fällt Kroatiens Beitritt zum Schengenraum, an dem auch Europa interessiert ist. Doch auch Bosnien wollen die Eurokraten nicht verprellen. Das Land hat strategische Bedeutung für Infrastrukturprojekte auf dem Westbalkan, mit denen Europa gegen Russland, China und die Türkei punkten will.

Allein schon an diesen geopolitischen Untiefen könnte die von Grabar Kitarović angestrebte Verbesserung der kroatisch-bosnischen Beziehungen scheitern. Dazu kommt, dass sie den bosnischen Kroaten Hilfe zugesagt hat. Sie haben die doppelte Staatsbürgerschaft, ihre Stimmen waren schon oft ausschlaggebend für den Machterhalt der konservativen Kroatischen Demokratischen Union HDZ, der auch die Kroatische Präsidentin bis zur Wahl angehörte.

In Bosnien stellen die Kroaten jedoch nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung und fürchten die Abwertung vom Staatsvolk zur Minderheit. Sie fordern daher, ihre Siedlungsgebiete aus der Föderation mit den muslimischen Bosniaken, die 50 Prozent der Bevölkerung stellen, in einen separaten Teilstaat auszugliedern. Solch einen haben die Serben, die 33 Prozent der Bevölkerung stellen. Zumindest wollen sie Änderungen des Verhältniswahlrechts, das sie benachteiligt.

Die Republik Kroatien unterstützt ihre Forderungen. Die Chancen für entsprechende Verfassungsänderungen stehen indes nach den letzten Haager Urteilen so schlecht wie nie. Sie hätten nicht zur Aussöhnung beigetragen, rügen Politiker wie Beobachter, und vor allem im multiethnischen Bosnien wird die ohnehin tief gespaltene Gesellschaft weiter polarisiert.

Mehr oder minder mit Haag zufrieden sind nur die Muslime - die Bosniaken. Serben und Kroaten dagegen kritisieren politisch motivierte, von Europa und den USA bestellte Urteile, mit denen beide sich aus ihrer Mitverantwortung für den Bürgerkrieg in Jugoslawien in den 90er Jahren stehlen wollten, wie Kroatenführer Božo Ljubić formulierte.

Der Westen ist das neue gemeinsame Feindbild, der die einstigen Kriegsgegner immer fester zusammen schweißt. Obwohl die Beziehungen ihrer Mutterländer wieder grottenschlecht sind, gibt es derzeit kaum ein Thema, bei dem die bosnischen Serben und Kroaten nicht gemeinsam Front gegen die Bosniaken machen.

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