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- »Der große Zampano«
Netzwerk statt Maßanzug
Das ZDF-Porträt »Der große Zampano« wirft einen sachlichen, aber leicht wehmütigen Blick auf den Medienmogul Leo Kirch
Da schaut er kühl und fest von einem Bildschirm, den über Jahrzehnte hinweg keiner mit mehr mit Inhalt versorgt hat als dieses Fossil des Fernsehens alter Prägung. Auch nach seinem Tod ziehen uns Leo Kirchs Adleraugen in ihren Bann, mit denen sich ein Sturmbannführer ebenso spielen ließe wie der treu sorgende Serienvater. Und wie Michael Jürgs die Person dahinter aus dem Off beschreibt, das gibt den Ton der 45 Minuten Filmporträt auch sprachlich vor. »Er wurde bewundert als genialer Filmhändler, gefürchtet als eiskalter Medienmogul, und am Ende stand er fast erblindet auf den Trümmern seines Reiches«. So dramatisch, ja pathetisch klingt es heute Abend im ZDF öfter.
Und warum auch nicht? »Der große Zampano«, wie Jürgs und sein Ko-Autor Berthold Baule titeln, war eine Figur von fast shakespearischer Wucht. Als promovierter Wirtschaftswissenschaftler, der vom desertierten Schwarzhändler zum mächtigen TV-Unternehmer aufgestiegen ist, hat uns Leo Kirch nicht nur Biene Maja und Harald Schmidt beschert, sondern Pay-TV und Deutschlands größte Firmeninsolvenz. Kein Wunder, dass Zeitzeugen wie Mathias Döpfner, Jobst Plog und Edmund Stoiber den fränkischen Klempnersohn mal »emotional«, mal »bauernschlau« nennen, »knallhart«, »fürsorglich« und »visionär«.
Leo Kirch, so zeigt »Der große Zampano«, war mehr als ein Strippenzieher des Leitmediums am Übergang zum Dualen System. So verbissen wie bodenständig zeigte sich der Selfemade-Milliardär zugleich als Prototyp des Unternehmers der formierten Gesellschaft am Übergang zur Globalisierung. Es waren Verleger wie Reinhard Mohn, dessen Bertelsmann-Konzern mit UFA und RTL auch das Fernsehen geprägt hat. Produzenten wie Horst Wendtland, der das Publikum erst mit Wallace, dann Winnetou, später Waalkes gemästet hat. Ideengeber wie Wolfgang Rademann, dem wir mit »Traumschiff« und »Schwarzwaldklinik« die eskapistischsten Angriffe aufs problembeladene Autorenkino verdanken.
Und mittendrin saßen die Senderchefs in ihren Eckbüros und gaben diese Angriffe aus vollen Kassen in Auftrag. Dieter Stolte etwa, ab 1982 Intendant von Kirchs Hauptauftraggeber ZDF, über das ein Konkurrent nun im schönsten Wiener Schmäh zu Protokoll gibt, es »hat Kirch gehört«. Starker Tobak. Aber den kauen Alphatiere wie der ehemalige RTL-Chef Helmut Thoma zum Frühstück. Im Goldrausch ihrer Branche verteilten sie die Claims. Sie hatten Einfluss, sie hatten Geld, sie hatten Kontakte; was sie nicht hatten, war die pfauenhafte Eitelkeit des Metiers ringsum.
Leo Kirch mag Mehrheitsaktionär der ProSiebenSat1 AG gewesen sein und als solcher von königlicher Macht. Wichtiger als Maßanzüge war ihm sein Netzwerk. So trug der Platzhirsch aus München gewiss was von der Stange, als er einen Headhunter auf den Frischling aus Köln ansetzte. Es war Kirchs bester Freund, wie der umworbene Thoma berichtet. Sein Name: Helmut Kohl. Das Machtgefüge der alten Medienrepublik war mit Vetternwirtschaft offenbar noch zurückhaltend beschrieben. Trotzdem blickt man im Shareholder-Kapitalismus ein wenig wehmütig auf Patriarchen früherer Tage, die von flacher Hierarchie, gar institutioneller Demokratie nur dann etwas hielten, wenn es der Sache diente.
Diese Sache war nämlich ein Fernsehen, das seinen Machern auch jenseits ehrgeiziger Profitziele am Herzen lag. Helmut Thomas unternehmerisches Credo, der Wurm müsse nicht dem Angler schmecken, sondern dem Fisch, mag aus künstlerischer Sicht zynisch klingen; angesichts neuer Medienbosse wie Jeff Bezos (Amazon) und Thomas Ebeling (ProSiebenSat1), die ihre Kundschaft wahlweise als faule Konsumgören oder fettes Lumpenproletariat verachten, bestand das Publikum der alten Entrepreneure wenigstens nicht nur aus Zahlen. Doch seit das Internet den linearen Fernsehmarkt aufmischt, stirbt dieser Menschenschlag empathischer Machtmänner von Reinhard Mohn über Dieter Stolte bis Leo Kirch aus. »Der große Zampano« ist kein Film, der dazu gedacht ist, diesen Männern nachzutrauern. Als Anlass dafür, ihre Nachfolger zu hinterfragen, taugt er allemal.
ZDF, 22.45 Uhr
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