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Nimmt der Klimawandel uns den Wind aus den Segeln?
US-Studie leitet aus Modellen das Risiko abnehmender Energieausbeute in den nördlichen Breiten ab. Deutsche Experten sind skeptisch.
Zwei Studien aus den USA, die ebenfalls in dieser Woche in renommierten Fachzeitschriften erschienen sind, klingen weniger optimistisch. Nicht wegen der in Deutschland so gern beklagten Kosten, nein, weil der bereits laufende Klimawandel in die Quere kommen könnte. Zum einen stellt eine Gruppe von Energieingenieuren um Tonio Buonassisi vom Massachusetts Institute of Technology im Fachblatt »Joule« (DOI: 10.1016/joule.2017.11.012) eine Prognose der Energieausbeute von Fotovoltaik-Anlagen vor, die sich auf Satellitendaten zur Sonneneinstrahlung und Messungen an zwei Typen heute gebräuchlicher Solarzellen stützt. Ihr wenig erfreuliches Ergebnis: Insbesondere in feuchtwarmen Ländern bringen die heute dominierenden Siliziumsolarzellen weniger Energieausbeute als die teureren Kadmium-Tellurid-Zellen, die überdies das giftige Kadmium benötigen. Denn bei Silizium sinkt der Wirkungsgrad bei steigenden Temperaturen und Feuchtigkeit noch deutlich schneller als bei den meisten Konkurrenzmaterialien.
Eine zweite, im Fachjournal »Nature Geoscience« (doi: 10.1038/ s41561-017-0029-9) erschienene Studie eines Teams um Kris Karnauskas von der University of Colorado in Boulder betrifft die europäischen Ambitionen womöglich noch mehr. Die US-Forscher kommen nämlich auf der Grundlage mehrerer Klimamodelle zu dem Ergebnis, dass das Windenergieaufkommen in vielen Regionen der nördlichen Hemisphäre sinken und stattdessen in einigen Gebieten des Südens deutlich ansteigen dürfte. Besonders betroffen vom Absinken seien demnach im Verlaufe der nächsten 80 Jahre weite Teile der USA, vor allem im Winter, wogegen Nordaustralien deutliche Steigerungen bevorstünden. Derzeit liefert Windenergie zwar nur 3,7 Prozent des globalen Energieverbrauchs, aber die Kapazitäten wachsen derzeit um etwa 20 Prozent pro Jahr. Für Europa räumen die Autoren ein, dass die Modelle keine sichere Prognose liefern.
Deutsche Klimaforscher und Energieexperten beurteilen die Prognosen der US-Forscher skeptisch. »Die Vorhersage von jährlichen Ertragsdaten über mehrere Jahrzehnte ist nicht möglich«, meint etwa Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS) am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Die Auswertung von Klimaprojektionen erlaube zwar die Analyse der Veränderung von 30-jährigen Mittelwerten, auch für Windgeschwindigkeiten, doch eine Berechnung auf Basis mittlerer monatlicher Windgeschwindigkeiten würde die monatlichen Energieerträge massiv unterschätzen lassen, bemängelt Jacob.
»Allerdings finde ich es sehr wichtig, die möglichen Veränderungen des Windpotenzials durch den Klimawandel mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden zu analysieren, um herauszufinden, ob, wo und wie stark die Winderträge sich verändern könnten«, sagt die Hamburger Wissenschaftlerin.
Christian Grams und Joaquim Pinto vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) halten allerdings zumindest in Europa die prognostizierten Rückgänge von 15 bis 20 Prozent in einzelnen Ländern durch geeignete Gegenmaßnahmen in europäischer Zusammenarbeit für verkraftbar. Ein viel größeres Problem sei die zu große Konzentration großer Anlagen an der Nordsee, die bei lokalen Flauten massive Ausfälle erwarten lasse.
Einen weiteren methodischen Mangel der Nutzung der aktuellen Klimamodelle sieht Axel Kleidon vom Jenaer Max-Planck-Institut für Biogeochemie darin, dass diese eine bereits seit einigen Jahrzehnten beobachtete Abschwächung von bodennahen Winden über Land nicht erklären können. Diese Abschwächung wurde in einer Höhe von zehn Metern über dem Boden gemessen - die übliche Messhöhe der nationalen Wetterdienste. In den vergangenen 50 Jahren immerhin um 5 bis 15 Prozent. Über den Meeren dagegen seien die Winde stärker geworden. Bislang habe niemand eine schlüssige Erklärung für dieses Phänomen.
Unabhängig davon sind bei konventionellen Energiequellen schon heute starke Beeinträchtigungen durch die Klimaerwärmung festzustellen, wie Dirk Witthaut vom Forschungszentrum Jülich betont. Kühlwassermangel im Sommer führte wiederholt zur Drosselung von Atom- und Kohlekraftwerken, Niederschlagsmangel legte Wasserkraftwerke lahm.
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