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- Gemeinnützigkeit bei Attac
Schäuble gegen Attac: Wieder doch nicht gemeinnützig
Bundesfinanzhof gibt Beschwerde des Finanzamtes statt / Verfahren geht in die Revision
Erst war es gemeinnützig, dann nicht mehr, dann sollte es das wieder werden, dann wurde das angefochten: Das globalisierungskritische Netzwerk Attac muss im Streit um seine Gemeinnützigkeit in das fünfte Jahr gehen. Grund ist eine Beschwerde des Finanzamts gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts in Kassel, das im November 2016 die Gemeinnützigkeit von Attac feststellte. Dieser Beschwerde gab der Bundesfinanzhof in München nun statt, sodass ein Revisionsverfahren stattfindet und Attac weiterhin nicht rechtskräftig als gemeinnützig anerkannt bleibt. Solche Verfahren dauern durchschnittlich 18 Monate.
Nach Bekanntgabe des Revisionsverfahrens verwies Alfred Eibl vom Attac-Koordinierungskreis darauf, dass die Weisung an das Finanzamt, die Gemeinnützigkeit nicht anzuerkennen, noch aus der Zeit Wolfgang Schäubles (CDU) stammt. »Wir fordern Finanzminister Peter Altmaier auf, die Weisung seines Vorgängers Wolfgang Schäuble an das Frankfurter Finanzamt umgehend zurückzuziehen und die Revision zurückzunehmen«, so Eibl. Es sei »bittere Ironie«, wenn ausgerechnet das Finanzministerium einer Organisation die Gemeinnützigkeit absprechen wolle, die sich für Steuergerechtigkeit einsetze.
Konkret bedeutet das erneute Aufrollen des Verfahrens, dass Mitglieder und Unterstützer des Netzwerks ihre Spenden an Attac nicht von der Steuer absetzen können – wie es bei Spenden für Gewerkschaften, Parteien oder gemeinnützige Stiftungen etwa der Fall ist. Geht es nach dem Finanzministerium, darf Attac nicht zu jenen Organisationen zählen, die gesellschaftliche Alternativen entwerfen. Diese Behauptung hat der Bundesfinanzhof 2017 jedoch bereits für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Hamburg (BUND) zurückgewiesen.
Attac: Forderung nach gerechter Verteilung ist gemeinnützig
Attac beharrt weiter darauf, gemeinnützige Arbeit zu leisten: »Attac streitet für eine strenge Regulierung der Finanzmärkte, die gerechte Verteilung des globalen Reichtums, umfassende soziale Sicherheit und gerechten Welthandel«, sagt Dirk Friedrichs, Vorsitzender des Attac-Trägervereins. Dies sei gemeinnützig, da hierdurch das Gemeinwohl »gegenüber den mächtigen Einzelinteressen der Banken und Konzerne« verteidigt werde. Friedrichs zeigt sich zuversichtlich, dass auch der Bundesfinanzhof dieser Sicht folgen werde.
Attac bezieht sich dabei auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts, das den gemeinnützigen Zweck »Förderung des demokratischen Staatswesens« weit auslegt und darunter auch das Engagement für Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit sowie für Solidarität zählt. Das Finanzministerium hingegen hatte zu seiner Beschwerde erklärt, es gebe eine »steuerliche Trennlinie« zwischen der Förderung gemeinnütziger Zwecke und politischer Betätigung.
Die Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« fordert nun eine Gesetzesänderung zur Gemeinnützigkeit. »Bundestag und Bundesregierung müssen Rechtssicherheit für die demokratische Debatte schaffen«, so Stefan Diefenbach-Trommer von der der Allianz. Zivilgesellschaftliche Arbeit würde durch das Revisionsverfahren weiter erschwert. Das Gesetz müsse so angepasst werden, dass es gesellschaftlichen Realitäten entspreche.
Die lange Streitgeschichte
Der Rechtsstreit um Attac begann im April 2014, als das Finanzamt Frankfurt dem Netzwerk die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2010 bis 2012 verweigerte. Attac legte dagegen Einspruch ein, der im Februar 2016 vom Finanzamt abgewiesen wurde. Im November 2016 gewannen die Globalisierungskritiker ihre Klage vor dem Hessischen Finanzgericht – und erlangte die Gemeinnützigkeit wieder, wenn auch noch nicht rechtskräftig. Dagegen legte das Finanzamt auf Weisung des Bundesfinanzministeriums eine Nichtzulassungsbeschwerde ein. Und dieser hat der Bundesfinanzhof nun stattgegeben, wodurch das Revisionsverfahren eingeleitet wird.
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