Fürchtet euch, liebe Leut!

Angsthasen VII

Fürchtet euch nicht - wer behauptet das denn? Kein guter Rat. Absoluter Nonsens ist das. Die Menschheit gäbe es nicht, hätte die Natur uns nicht ein Angst-Gen eingepflanzt. Nur derart konnte der Homo sapiens als einzige Art aus der Gattung der Hominiden überleben. Ergo: Fürchtet euch, liebe Leut’!

Fürchtet euch vor Ebola, Malaria und Typhus, vor Gammelfleisch und Milchersatzprodukten, vor Schweine- und Hühnerpest, vor »Little Rocket Man« Kim und dem »Make America great again«-Trumpeltier. Fürchtet euch vor der ZDF-Silvesterparty mit Kiewi & Kerner live vom Brandenburger Tor und allen folgenden, ganzjährigen Friede-Freude-Eierkuchen-Blödelshows (mit oder ohne Helene Fischer). Fürchtet euch vor dem Steuerprüfer und dem Gerichtsvollzieher, vor Selbstmordattentätern und dem Ordnungsamt, vor ewig nörgelnden wie allzu netten Nachbarn, vor »Bauer sucht Frau« und »Frauentausch«, vor Treppenstürzen und defekten Fahrstühlen, vor Stromausfällen und Jahrhunderthochwassern (das nächste kommt bestimmt). Fürchtet euch vor Datenklau und Hackern, vor Big Brother, Computerviren und Shitstorms, vor Examen und Klausur, vor dummen Politikern und besserwisserischen Arbeitskollegen, vor Gutmenschen und Schlägertypen. Fürchtet euch vor Mitbürgern mit feuchter Aussprache und jenen mit stetiger Angst vorm schwarzem Mann, vor Lob vom Feind und Tadel vom Freund. Fürchtet euch vor Fettnäpfchen und Akne, vor der Apokalypse und dem Jüngsten Gericht. Fürchtet euch vor der buckligen Verwandtschaft, die sich zum Fest androht, und dem Zahnarzt, den man nach der besinnungslosen Weihnachtsnascherei wieder aufsuchen muss. Fürchtet euch vor allem und allen. Fürchtet euch vor euch selbst. Karlen Vesper

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.