- Politik
- Todesopfer in Iran
450 Festnahmen nach Protesten in Teheran
Initiative fordert Unterstützung der Proteste gegen fundamentalistische Diktatur
Teheran. Bei den Protesten in Iran soll es nach Angaben des staatlichen Fernsehens Irib weitere neun Tote gegeben haben. Es war jedoch zunächst unklar, ob es sich um Demonstranten, Polizisten oder Revolutionswächter handelte.
Irib hatte zuvor berichtet, dass in der Nacht zum Dienstag ein Revolutionswächter der Stadt Nadschafabad in Zentraliran von Demonstranten getötet worden sei. Er sei erschossen worden. Nach Angaben von Irib beweist die Tat, dass einige der Demonstranten bewaffnet seien. Die Revolutionswächter sind Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden, einer paramilitärischen Organisation zum Schutz des Systems.
Bislang wurden insgesamt 21 Menschen getötet, darunter 16 Demonstranten.Zudem kamen ein alter Mann und ein Kleinkind bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud um.
Im Zusammenhang mit den Protesten in Iran sind in der Hauptstadt Teheran in den vergangenen drei Tagen nach Angaben der Behörden rund 450 Menschen festgenommen worden. 200 Menschen seien am Samstag festgenommen worden, 150 am Sonntag und rund hundert am Montag, sagte Ali-Asghar Naserbacht, ein Vertreter des Gouverneurbüros von Teheran, am Dienstag der Nachrichtenagentur Ilna, die den reformorientierten Kräften nahe steht.
In sozialen Netzwerken wird behauptet, dass die Polizei in Dutzenden Städten auf die Demonstranten schieße; es habe am Montag erneut Tote gegeben. Diese Berichte ließen sich jedoch nicht unabhängig überprüfen.
Die Kampagne »STOP THE BOMB« forderte die Bundesregierung auf, sich auf Seiten des Freiheitskampfes der Menschen in Iran zu positionieren und Sanktionen gegen die Islamische Republik vorzubereiten. STOP THE BOMB-Gründungsmitglied Fathiyeh Naghibzadeh appellierte an die Bundesregierung: »2009 hat der Westen die Millionen von
iranischen Menschen im Stich gelassen, die monatelang gegen die fundamentalistische Diktatur demonstrierten. Man hat behauptet, nur die Mittelschicht habe demonstriert. Nun ist der Aufstand in den armen Provinzen ausgebrochen, und die Parolen der 'kleinen Leute' gegen die Fundamentalisten sind noch radikaler«.
Die Exil-Iranerin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi nannte die »sehr schwere Wirtschaftskrise«, Arbeitslosigkeit, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich sowie die Korruption als Gründe für den Protest. Das Ende der internationalen Strafmaßnahmen gegen Iran infolge des Atomabkommens habe nicht die erhofften Verbesserungen für die Bevölkerung gebracht, sagte sie der italienischen Zeitung »La Repubblica«. »Ich habe den Eindruck, dass wir den Beginn einer großen Protestbewegung erleben«, fügte die Juristin hinzu.
Das »Recht auf friedliche Demonstrationen und die Meinungsfreiheit« müssten garantiert werden, erklärte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Montagabend. Zuvor hatte bereits Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) die Führung in Teheran aufgefordert, die Versammlungsfreiheit zu respektieren. Demonstranten hätten das Recht, »sich zu versammeln und frei und friedlich ihre Stimme zu erheben«. Das russische Außenministerium warnte dagegen vor jeglicher »Einmischung« des Auslandes. Dies würde die Situation in Iran »destabilisieren«.
»Das Volk des Iran handelt gegen ein brutales und korruptes Regime«, schrieb US-Präsident Trump am frühen Dienstagmorgen auf Twitter. »Die Türkei ist besorgt über Nachrichten, dass sich die Proteste im Iran ausweiten, Opfer fordern und auch über die Tatsache, dass einige öffentliche Gebäude beschädigt wurden«, teilte das türkische Außenministerium am Dienstag mit. Das Ministerium appellierte an den »gesunden Menschenverstand, um eine Eskalation zu vermeiden«.
Der oberste iranische Führer Ajatollah Ali Chamenei hat die Proteste gegen das islamische Establishment als vom Ausland gesteuert bezeichnet. »Die Feinde des Irans haben in den letzten Tagen den Unruhestiftern Geld und Waffen sowie politische Unterstützung zur Verfügung gestellt, um dem Iran zu schaden«, sagte Chamenei am Dienstag in einer ersten Reaktion auf die Proteste im Land.
Die Proteste hatten am Donnerstag begonnen. Sie richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung, wurden aber zunehmend systemkritisch. Am Samstag griffen die Proteste auch auf die Hauptstadt Teheran über. Nach Augenzeugenberichten griff die Polizei in Teheran mit Wasserwerfern und Tränengas ein. dpa/nd
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