- Kultur
- Krimi aus Dänemark
Die Sphäre der Macht
Jens Henrik Jensen lässt einen traumatisierten Elitesoldaten ermitteln
Der Autor habe »25 Jahre lang in der Nachrichtenindustrie« gearbeitet, so steht es im Klappentext. In einem privaten Nachrichtendienst, von denen es schon viele gibt? Es würde zu diesem Thriller passen, womöglich aber nicht so offen verlautbart werden. Auf seiner Webseite sagt Jens Henrik Jensen, dass er 54 Jahre alt ist und Journalist von Beruf. Das passt auch.
Warum der Däne zum »Shootingstar der skandinavischen Krimiszene« geworden ist? Wir können bislang nur den ersten Teil seiner Thriller-Trilogie über den Ex-Elitesoldaten Niels Oxen lesen, die auch so heißt: »Oxen«. »Die gehängten Hunde«, so der Originaltitel. Warum ihn der Verlag änderte, ist nicht einsichtig. Rücksichten auf Hundefreunde? Das Buch fängt mit einem gehängten Hund in Spanien an, dem in Dänemark weitere folgen. Ihre Besitzer verstehen das zu Recht als Signal einer Gefahr. Aber sie können sich nicht schützen. Niels Oxen hätte sich nicht als verdeckter Ermittler in Schwierigkeiten gebracht, hätte er seinen Samojedenspitz »Whitey« bei seinem Rastplatz im Wald nicht in ebenso beklagenswerter Lage gefunden. Da ahnt der Leser wahrscheinlich schon, zu welchem Zweck die grausame Tat vollbracht worden ist …
Oxen war in den Balkankriegen, in Afghanistan und Irak dabei, kam mit mehreren hohen Auszeichnungen nach Hause, wird aber von Albträumen geplagt. Eine posttraumatische Belastungsstörung - er weiß es selbst und zieht es vor, sich nicht in Behandlung zu begeben. Lieber hat er sich unauffindbar gemacht. Nun, da er in der Nähe jenes Schlosses war, in dem ein Ex-Botschafter ermordet wurde, da er von der Polizei verdächtigt wird und der Chef des Inlandsgeheimdienstes ihn für sich einspannen will, verlangt Oxen 250.000 Kronen in bar. Tatsächlich, so viel sei verraten, wird er am Schluss mit einem Aluminiumköfferchen wieder das Weite suchen. Mehrere Mordfälle werden aufgeklärt, weitere aber hinzugekommen sein. Letztere sind besonders mysteriös, weil sie sich auf den Spuren von Oxens tatkräftigen Ermittlungen ereignen. Der Geheimdienstchef leugnet alles? Na klar!
Wie meist in einem Thriller gibt es auch eine weibliche Hauptrolle. Margrethe Franck, blond, schlank und beinamputiert, soll im Auftrag des Geheimdienstes zu Oxen Verbindung halten. Nein, so richtig kommen sie sich nicht nah, wie man vielleicht erwarten könnte. Aber sie beginnen einander zu vertrauen und stimmen ihr Vorgehen nicht mehr »oben« ab.
Anders wäre es auch nicht zu den Verwicklungen gekommen, die den Roman immer spannender machen. Sind gar die »eigenen Leute« hinter Oxen und Franck her? Soll er als Bauernopfer dienen?
Jens Henrik Jensen hat vieles in sein Buch hineingepackt, was zu einem guten Thriller gehört. Der grandiose Erfolg in Dänemark hat indes wohl noch andere Gründe. Zum einen hat Jensen auf offene und sehr kritische Weise die dänische Beteiligung an mehreren folgenreichen Auslandseinsätzen der NATO thematisiert. Zum anderen fallen die Mutmaßungen um einen mysteriösen »Danehof« im Roman bei Lesern insofern auf einen fruchtbaren Boden, weil Politiker schon längst als machtlos oder »ferngesteuert« gelten und man wirklich gerne wissen möchte, wie die »Sphäre der Macht« beschaffen ist. Verschwörungstheorien? In den folgenden Bänden findet sich vielleicht genaueres. Wobei es auch eine problematische Seite hat, wenn notwendige Aufklärung durch spannungsvolle Geheimnisse ersetzt und das Ganze dann als fiktiv bezeichnet wird. Nun, wir werden sehen.
Normalerweise meide ich Trilogien und Tetralogien, weil die Lektüre des einen voluminösen Romans schon die Forderung beinhaltet, auch die folgenden zu lesen. Aber auf einer langen Bahnfahrt kam mir »Oxen. Das erste Opfer« wohl zupass. Die Fortsetzung werde ich gern wieder auf Reisen mitnehmen.
Jens Henrik Jensen: Oxen. Das erste Opfer. Thriller. Aus dem Dänischen von Friederike Buchinger. Deutscher Taschenbuch Verlag. 461 S., br., 16,90 €.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.