Der Leninist aus dem Weißen Haus

»Bannon is great again« - Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg (?) eines rechten Chaoten

Man staunt: Verfügen die Kollegen im Heyne-Verlag über eine prophetische Gabe? Vor knapp einem halben Jahr warfen sie ein Buch über Stephen Bannon auf den deutschen Printmarkt. Der Journalist Tilman Jens, Jg. 1954, Mitautor der »Kohl-Protokolle«, aber auch solider Bücher wie über Goethe, Mark Twain und Uwe Johnson, hat es verfasst. Der Bannon-Biograf ging damals allerdings noch davon aus: »Der Heizer bleibt.« Kaum hatte er sein Manuskript beim Verlag abgeliefert, munkelten indes die US-amerikanischen und internationalen Medien, dass »der große Manipulator, der zweitmächtigste Mann der Welt« (»Time Magazine«), mit dem »das Gift in Washington einzog« (»Huffington Post«), angeschlagen sei, der Hardliner, Hasardeur, Einheizer und Einpeitscher seinen Posten als Chefberater von Donald Trump bald aufgeben müsse.

Doch der Präsident sperrte sich, dachte nicht daran, den »Prince of Darkness« (Fürsten der Finsternis), einen Seinesgleichen, gleichen mentalen und intellektuellen Niveaus, davonzujagen. Er setzte sich gar über den Rat seiner Tochter hinweg (aller anderen unbedeutenden Querulanten sowieso). »Boston Globe« titelte: »Steve Bannon is great again.« Trump hat den öffentlich Unbeliebten erst einmal nur aus dem Sicherheitsrat abberufen, um die erregte Öffentlichkeit zu beschwichtigen und dafür andere gefeuert: mehrere Staatsanwälte, die Personalchefin im Weißen Haus, den obersten Sicherheitsberater, FBI-Boss James Comey ... In Frankfurt am Main wird jemand tief aufgeatmet haben, die Aufmerksamkeit für sein Buch war durch Trumps Sturheit gerettet. Für einen Monat. Dann musste der Präsident Bannon doch fallen lassen. Tags darauf twitterte Trump, er freue sich, dass Bannon »eine starke und kluge neue Stimme« bei »Breitbart News« sein werde. Die Freude ist dahin, das Tischtuch zwischen beiden endgültig zerschnitten. Der Wirbel um ein in den USA an diesem Wochenende erschienenes Buch, in dem Plaudertasche Bannon Dinge preisgibt, über die sein Ex-Brötchengeber not amused ist, wird vermutlich der biografischen Skizze von Tilman Jens neue Aufmerksamkeit bescheren.

Tatsächlich liest man dort Erstaunliches respektive wird an bemerkenswerte Bonmots von Bannon erinnert, wie etwa jenem frappierenden Bekenntnis: »Ich bin Leninist. Lenin wollte den Staat zerstören, und das ist auch mein Ziel. Ich will das System krachend kollabieren lassen und das gesamte Establishment gleich mit.« So tönte vor seinem Einzug ins Weiße Haus der 1953 in Norfolk, Virginia, in einer irischstämmigen Arbeiterfamilie geborene erzkonservative Katholik, der gewiss nie das Werk »Staat und Revolution« des gelehrten, geistreichen Bolschewiken in die Hand nahm, geschweige einen Blick hineingeworfen oder es gar studiert hat.

Der studierte Stadtplaner, der für Bruce Springsteen schwärmte und der (sicher auch ungelesen) das zwölfbändige Opus Magnum des britischen Historikers und Philosophen Arnold Toynbee über den Aufstieg und Fall der Weltkulturen als religiöse Offenbarung empfunden haben soll, entschied sich dann für die Offizierslaufbahn, landete im Pentagon und träumte davon, oberster Kriegsherr zu werden. »He was a little bit a hell-raiser«, ein ziemlicher Rabauke. erinnert sich an ihn ein einstiger Kamerad bei der Navy. Seine politischen Ambitionen erwachten im Präsidentschaftswahlkampf des Cowboys Ronald Reagan 1980. Zunächst tobte sich der megalomanische Narziss jedoch bei Goldman Sachs, in Hollywood und bei »Breitbart News« aus. Überall für handfeste (Finanz- und Sex-)Skandale sorgend und als letztlich Gescheiterter davonziehend, um erneut ein Karrieretreppchen zu erklimmen. Was ihm bisher immer gelang. Denn er ist gut vernetzt, vor allem in der stramm rechten Szene. »Er steht unter dem Schutz von reichen, einflussreichen Freunden«, weiß Tilman Jens.

Aber selbst den größten Schurken plagen mitunter Albträume. Oder verdankte sich Bannons Äußerung kurz nach Trumps Wahl gegenüber der Presse lediglich historischem Halbwissen? »Ich bin wie Thomas Cromwell am Hofe der Tudors«, ließ er verlauten. Der Earl of Essex fiel bei Heinrich VIII. in Ungnade, 1540 ließ der König seinen Kanzler köpfen. Vielleicht hatte Bannon sich mit dem glücklicheren Oliver Cromwell vergleichen wollen? Wer weiß. Mit Trumps Einzug ins Weiße Haus jedenfalls schlug, wie Bannon irrglaubte, seine Stunde, die Welt das Fürchten zu lehren. Bleibt die Frage: Muss die Welt sich wirklich mit einem solchen Chaoten beschäftigen?

Tilman Jens: Stephen Bannon. Trumps dunkler Einflüsterer. Heyne, 191 S., br., 15 €.

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