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Glück auf!
Christoph Ruf über Dortmunds Fanszene, die angekündigt hat, das Montagsspiel gegen Augsburg zu boykottieren
Das hat sich allerdings geändert, seit das Fernsehen begann, die Kontrolle über die Spieltagsgestaltung der ersten und zweiten Liga in Deutschland zu beanspruchen und so fürstlich zu bezahlen, dass sich kaum ein Verein traut, gegen eine Anstoßzeit aufzubegehren, mit der Gästefans, aber auch Kinder, Jugendliche und viele andere Menschen faktisch vom Stadionbesuch ausgeschlossen werden.
Am 18. Oktober 1993 begann die unselige Ära der Montagabend-Berieselung für Couch Potatoes mit dem Spiel FC St. Pauli gegen VfL Bochum, übertragen wurde sie vom Sender DSF, der heute Sport 1 heißt. Nun, zur Saison 2017/2018, hat die DFL erstmals beschlossen, auch fünf Spiele der ersten Liga an einem Montag stattfinden zu lassen. Und siehe da, das stößt auf heftigen Widerspruch.
Die Südtribüne Dortmund, ein Zusammenschluss aus 38 Fanklubs, hat gerade erklärt, dass das Montagsspiel in einer Woche gegen Augsburg boykottiert werde: »Neben den zusätzlichen Terminen am Sonntagmittag und um 18.30 Uhr in Englischen Wochen kann noch eine weitere Anstoßzeit gewinnträchtig vermarktet werden. Verlierer sind mal wieder die Fans, die ihren Verein im Stadion unterstützen wollen«, heißt es in einer Erklärung.
»Zudem müssen die Augsburger beispielsweise an einem Montag fast 600 Kilometer abspulen, um ihre Mannschaft unterstützen zu können. Für Arbeitnehmer gehen dafür zwei Urlaubstage drauf, will man am Morgen nicht total übermüdet auf der Arbeitsstelle erscheinen.«
Dem Boykottanruf angeschlossen haben sich Dutzende weitere Fanklubs, darunter die drei führenden Ultragruppen. Man kann also davon ausgehen, dass riesige Löcher auf der Süd klaffen werden, zumal auch mancher »Normalo« im Ruhrgebiet noch nicht vergessen hat, dass Solidarität in der Region einmal als Wert galt. Die Karten der Boykotteure, zumeist Dauerkarten, sollen nämlich verfallen - das unterstreicht die Bereitschaft der Fans, auch ein finanzielles Opfer zu bringen. Und es verhindert, dass Eventfans sich als Streikbrecher betätigen können und die Chance nutzen, auch einmal in den Stadionbereichen ein Spiel zu verfolgen, für die sie sonst kein Ticket bekommen.
All das ist bemerkenswert, noch bemerkenswerter ist aber vielleicht, dass sich mit Kevin Großkreutz von Darmstadt 98 auch ein Profi zu der Aktion bekannt hat - der gebürtige Dortmunder ist bekanntlich Herzens-Borusse: »Zeichen setzen , zuhause bleiben und die Karten verfallen lassen«, hat er auf Instagram gepostet. »Es darf nicht so passieren wie in England oder in anderen Ländern. In der 2. Liga ist es schon seit Jahren der Fall. Die Fans werden dabei total vergessen. Unser Fußball darf nicht verloren gehen. Die Fans sind der Fußball. Ich als Spieler stehe voll hinter der Aktion. Es geht nur zusammen.«
Das stimmt, und mit dieser Feststellung endet deswegen auch die Heldengeschichte von den solidarischen deutschen Fußballfans. Die These sei gewagt, dass es schon lange keine Montagsspiele mehr gäbe, wenn die großen Fanszenen der ersten Liga mehrheitlich nicht erst dann gemerkt hätten, wie katastrophal die Montagsspiele sind, als es sie selbst betraf. Die Fans der zweiten Liga haben in den letzten 25 Jahren jeden einzelnen Montag akustisch und optisch protestiert. Doch das verhallte außerhalb der Liga ungehört. War ja nur zweite.
Und dennoch: Im Vergleich zur Unfähigkeit der Vereine und Manager, bei wichtigen Angelegenheiten einmal mit einer Stimme zu sprechen, sind die Fans dann doch wieder vergleichsweise solidarisch. Derzeit orchestrieren über 50 Fanszenen die Kampagne für mehr Fanrechte und gegen eine weitere Kommerzialisierung, die im Sommer unter dem Brachial-Motto »Krieg dem DFB« begonnen hatte. Wer weiß, wie spinnefeind sich da einzelne Protagonisten sind, der ahnt, wie weit da einige über ihren Schatten springen mussten.
Auch die Dortmunder Boykott-Aktion wird Folgen haben. Die Dortmunder Fanszene wird nicht die letzte sein, die versucht, die Boomtown Rats als Soundtrack zu nehmen: »I want to shoot the whole day down!«
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