Ein Dutzend gegrillter Hühnchen
Unter dem Titel »Who the f*ck is Suzie Wong?« zeigte das Ballhaus Naunynstraße filmische Perspektiven aus der asiatisch-deutschen Diaspora
Ein Spätkauf, eine Nebelmaschine und der große Bierkühlschrank; Plastikblumen, Hühnerfüße und ein aufgemalter Schnauzbart - wie das wohl alles zusammenpasst?
Asiatisch-Deutsche sind auf den Leinwänden und Theaterbühnen in Deutschland noch immer eher selten zu sehen, wodurch zahlreiche Lebensrealitäten unsichtbar gemacht werden. Deren Ausschlusserlebnisse, Rassismuserfahrungen oder auch Generationskonflikte finden sich kaum wieder in den Medien- und Kulturproduktionen Deutschlands.
Dem versucht seit 2007 das Asian Film Festival aufgenommene Alltagsrealität entgegenzuhalten. Im vergangenen Oktober initiierte das Festival in Zusammenarbeit mit der »akademie der autodidakten« einen Drehbuch- und Film-Workshop unter dem Titel »Who the f*ck is Suzie Wong?«, um für mehr visuelle Vielfalt vor und hinter der Kamera zu sorgen. Die daraus entstandenen sechs Kurzfilme sind am Sonntagabend im Ballhaus Naunynstraße präsentiert worden.
»Die Film- und Theaterbranche ist nicht sehr divers«, sagt Festivalleiterin Sun-Ju Choi. »Und da dachten wir uns, wir ändern das jetzt einfach mal selbst.« Mit den Workshops sollte die Möglichkeiten gegeben werden, »ein Stück Geschichte mitzugestalten.« Der Titel der Kurzfilmreihe bezieht sich auf die Figur aus »Die Welt der Suzie Wong«, einem Film aus den 60ern, der im Rotlichtmilieu von Hongkong spielt. Wong wurde mit der Zeit zur Stellvertreterfigur des Klischees der submissiven, sexuell verfügbaren asiatischen Frau.
In ihrem Kurzfilm »On Thai Women« dekonstruiert Rosalia Namsai Engchuan dieses Klischee. Ein Zitat von Jean Baudrillard aus »Cool Memories« über die thailändische Frau als Erfüllung aller Träume westlicher Männer wird visuell hinterlegt von einer Menge Hühnerfüße, reihenweise Plastikblumen und kulminiert in dem Bild der sexuell verfügbaren Frau als ein Stück Fleisch: ein Dutzend gegrillter Hühnchen.
In einem selbst interpretierten Musikvideo zu dem Lied »Guter Ausländer« der Rapper Eko Fresh und Blumio führen Jing Xiang, Anna Xian und Carmen Zehentmeier die sogenannte Integrationsdebatte ad absurdum. In ihrer Genderbender-Variation rappen sie mit Dosenbier und in der Eckkneipe von rassistischen Beleidigungen, Leberwurst, Schäferhunden und türkischen Schnäuzern. Gleichzeitig spülen die Filmemacherinnen damit auch die Geschlechterstereotype vieler Rapsongs den Abfluss runter.
»Als Model-Minority hochgelobt, werden Asiatisch-Deutsche als Vorzeigemigrant*innen gegen sogenannte ›Integrationsunwillige‹ ausgespielt«, heißt es auf der Website des kulturpolitischen Netzwerks »korientaion«. Damit würden die unterschiedlichen Communities in »gute Migranten« versus »schlechte Migranten« sortiert. Der Verbund »korientaion« ist Mitorganisator des Asian Film Festivals Berlin und der dazugehörenden Workshops.
Das Bekenntnis zum Asiatisch-Deutsch-Sein sei keine herkunftsbezogene Identitätspolitik, sondern eine bewusste politische Positionierung. Nur selten werde die Solidarität zwischen (post-)migrantischen Communities thematisiert. Gerade angesichts wachsender rechtsradikaler Kräfte seien jedoch Geschichten und Bilder über Zusammenhalt und gemeinsame Kämpfe über die Grenzen unterschiedlicher Communities hinweg dringend notwendig.
»Straight outta Neukölln« von Michelle Ruiz und Anna Xian greift die geteilten Erfahrungen der stereotypisierten Marginalisierten als verbindendes Element auf. Der Kurzfilm nimmt den Hype um den Bezirk Neukölln mit der gleichzeitigen Angstmache vor dessen Bewohnern und Bewohnerinnen unter die Lupe. In einem sogenannten Reaction-Video - als Bild im Bild - sieht man Deniz in seinem Spätkauf Popcorn essen. Dabei sieht er sich zum ersten Mal die Serie »4Blocks« an, die von einem arabischen Drogenkartell in Neukölln erzählt. Hinter Deniz gehen die Hipster im Neuköllner Späti ein und aus. Das Bild des Ghettos, das medial häufig von diesem Bezirk vermittelt wird, und die Realität krachen hier ineinander. Für Deniz, der im Kiez groß geworden ist, reproduziert »4Blocks« Klischees. Neukölln zählt zu den drei Bezirken in Berlin, in denen sich die Mietpreise in den letzten sieben Jahren verdoppelten. In der zunehmenden Verdrängung sieht er die eigentliche Gefahr.
»Uns geht es um Sichtbarkeit, darum, gehört zu werden«, sagt Choi vom Asian Film Festival. »Es gibt noch immer Strukturen, die dafür sorgen, dass vielen der Zugang zu Kultureinrichtungen und überhaupt zu Repräsentation verwehrt wird. Es gibt unzählige Geschichten, die deswegen nicht erzählt werden.«
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