• Berlin
  • Klimaprogramm im Abgeordnetenhaus

Klimaschutz nicht mehr planlos

Abgeordnetenhaus beschließt umfassendes Konzept zur Reduzierung von CO 2 -Emissionen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Es hat lange gedauert, aber diesen Donnerstag soll nun endlich im Abgeordnetenhaus das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) verabschiedet werden. 135 Seiten dick war die im Juni 2017 verabschiedete Senatsvorlage, 20 Seiten umfassen die vom Umwelt-, Verkehrs- und Klimaschutzausschuss beschlossenen Änderungen. Das Ziel: Die Hauptstadt soll bis 2050 klimaneutral werden. Das Konzept beinhaltet Leitlinien von der Abfallwirtschaft bis zum Waldumbau. Die Vorlage wurde bereits 2016 vom rot-schwarzen Senat erarbeitet, doch die CDU hatte so viele Änderungswünsche, dass es nicht mehr zu einer Verabschiedung kam.

Das gab Rot-Rot-Grün die Möglichkeit, dem Programm eine deutliche eigene Handschrift zu geben. Zum Beispiel beim Nahverkehr. Bis Ende 2019 soll eine Machbarkeitsstudie klären, wie Bus und Bahn künftig fahrscheinlos genutzt werden können. Einzel- und Monatskarten könnten durch eine solidarische Umlage ersetzt werden. LINKE und Grüne haben bereits Vorschläge dazu gemacht. Auch die Klimarelevanz von Verkehrsprojekten muss künftig überprüft werden. Dass auch beim an sich schon umweltschonenden Schienenverkehr noch einiges herauszuholen ist, zeigt eine von der Allianz pro Schiene beauftragte Studie, nach der sich mit Fahrerassistenzsystemen bis zu 15 Prozent Energieeinsparung erzielen lassen. Unter dem Namen FASSI setzt die S-Bahn Berlin bereits auf diese Technik.

Seit vielen Jahren wird auch über den Gegensatz von energetischer Gebäudesanierung und Schutz von Mietern vor Verdrängung gestritten. »Die soziale Frage ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig«, sagt Michael Efler, Klimaschutzexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Wir haben es geschafft, Nachbesserungen zu erreichen im Bereich der Warmmietenneutralität«, erklärt er. Demnach soll die Dämmung von Wohnhäusern die Mieter unter dem Strich nicht mit zusätzlichen Kosten belasten.

»Energetische Modernisierungsvorhaben müssen hohen ökologischen Nutzen haben, sollen die Warmmiete annährend unverändert lassen und keine sozialen Härten verursachen«, heißt es in der zu verabschiedenden Fassung. Der Modernisierungserfolg solle »anhand der tatsächlichen Energieeinsparung« überprüft werden. »Das sollte Konsequenzen haben für die Umlegung auf die Miete«, sagt Efler.

In der Realität zeigt sich nämlich, dass die errechneten theoretischen Einsparungen, mit der energetische Modernisierungen begründet werden, oft bei Weitem nicht erreicht werden. An dieser Frage entzündete sich beispielsweise der Pankower Mieterprotest, der sich gegen Dämmungspläne der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU richtet. »Wir gehen davon aus, dass eine Überprüfung der Einsparungen bereits im Vorfeld den Bauherren beeinflusst«, hofft der Abgeordnete.

Ein Viertel des Berliner Strom- und Wärmebedarfs ließe sich durch Solarthermie und Solarzellen erzeugen, ergaben Studien. Bis zum Jahresende sollen alle Dächer landeseigener Liegenschaften auf die potenzielle Nutzung untersucht werden. Bis 2020 sollen außerdem mindestens 1000 Ladepunkte für E-Mobilität errichtet werden - und zwar nicht nur in der Innenstadt. »Im BEK stehen sehr wenige harte ordnungsrechtliche Maßnahmen«, so Efler. Die Hauptstadt solle erstmal in ihrem eigenen Verantwortungsbereich anfangen, so das Ziel. Über Förderprogramme sollen auch Private motiviert werden.

»Endlich wurde Papier bedruckt, auf dem Klimaschutzprogramm draufsteht«, sagt Matthias Krümmel, Klimaexperte des Umweltverbandes BUND Berlin. »Wir brauchen tiefgreifende und schnelle Maßnahmen, um die Klimaziele einzuhalten«, so Krümmel weiter. Wichtig sei, die Stadtgesellschaft dabei mitzunehmen. »Wir brauchen die Beteiligung von Bürgern, Wirtschaft und Wissenschaft und auch eine regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen auf Erfolg«, fordert der Experte.

Krümmel bemängelt, dass auch mit den Änderungen die Rolle von Flugverkehr und Tourismus bei den CO2-Emissionen nicht ausreichend berücksichtigt werde. Beim Thema Energiearmut, also das Menschen aus finanziellen Gründen keinen ausreichenden Zugang zu Strom und Wärme haben, sei zwar guter Wille erkennbar. Aber auch hier sei laut BUND mehr nötig. »Das BEK ist ein Minimalprogramm, das maximal umgesetzt werden muss«, so Krümmel.

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