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Unter schwefelgelbem Himmel
Ideenreicher Science-Fiction-Roman: Sebastian Guhrs »Die Verbesserung unserer Träume«
Der Science-Fiction-Boom in Film und Literatur hält ungebrochen an. Neben Klassikern wie Philip K. Dick, dessen Werke derzeit sehr gekonnt als Blockbuster im Kino (»Blade Runner 2«) und auch im Serienformat von Streaming-Anbietern (»The Man in ›The High Castle‹« und »Electric Dreams«) verarbeitet und rezipiert werden, lohnt es sich, auch einen Blick auf die Romane junger, unbekannter Autoren zu werfen - und nicht nur solcher aus den USA.
Der in Wien ansässige Luftschacht-Verlag hat mit Sebastian Guhrs »Die Verbesserung unserer Träume« jetzt den faszinierenden Roman eines 1983 in Berlin geborenen und in Neukölln lebenden Autors herausgebracht, einen stilistisch äußerst lebendig erzählten Science-Fiction-Roman voll großartigem Ideenreichtum, in dem auf einem fernen Planeten in einer fantastischen Welt die persönlichen und gesellschaftlichen Konflikte mehrerer Figuren ausgelotet werden.
Auf Reith leben menschliche Siedler seit vielen Jahrzehnten, Kontakt zur Erde haben sie nicht mehr. Die Reise zum terrestrischen Heimatplaneten würde 70 Jahre dauern. Unter dem schwefelgelben Himmel des wüstenartigen Planeten Reith haben sich die Siedler in der sogenannten Oneiropole eingerichtet, benannt nach den Oneiri, Götterwesen der griechischen Mythologie, die über die Träume wachen. Denn auf Reith träumen die Menschen nicht nur in einem fort, sondern ihre Träume sind auch ausufernd und mitunter ungemein realistisch.
Nicht selten sind Traum und Wirklichkeit gar nicht mehr zu unterscheiden. Ob das an dem Mineral Ubinox liegt, das im Boden von Reith liegt und auch alle technischen Geräte verrücktspielen lässt, oder an den früheren, baumartigen Bewohnern des Planeten, deren mitunter geheimnisvoll leuchtenden Überreste in archäologischen Grabungen zutage gefördert werden, ist unklar.
Sebastian Guhr lässt verschiedene Charaktere in dieser Welt auftreten, in der es keine fest gefügten familiären Strukturen mehr gibt und in der die Bewohner sich - ganz ähnlich wie in unserer neoliberalen Arbeitswelt - mittels einer sogenannten »Erweiterung« unentwegt weiterbilden, verbessern und dabei dem sozialen Druck der Gemeinschaft beugen müssen.
Die Ordnung dieser Zukunftsversion, die ebenso utopische wie dystopische Züge trägt, gerät plötzlich ins Wanken, als ein Asteroid auf den Planeten zu stürzen droht. Den krisenhaften Einbruch schildert Sebastian Guhr als brutale soziale Explosion einer bis dahin zivilisierten und friedliebenden Gemeinschaft, deren Mitglieder sich plötzlich in einem postapokalyptischen Szenario wiederfinden. Auch hier spielt wieder die Frage eine wichtige Rolle, wo die Wirklichkeit endet und wo die Träume beginnen. Klar beantworten können die aller zivilisatorischen Schutzmechanismen beraubten Bewohner diese Frage nicht.
Guhrs Roman erzählt eine ebenso bunte wie im Verlauf der Handlung düster werdende Geschichte, die vor allem von den großartigen Details dieser zukünftigen Welt lebt. Ob es die Homunc-Brille ist, mittels derer sich Menschen in andere Realitäten begeben und ihre sexuellen Fantasien ausleben, oder das auf Selbstverwirklichung ausgerichtete Sozialleben der Oneiropole, die an eine Mischung aus Einkaufszentrum, Erlebnispark und einen Campus der Digital Economy erinnert - Sebastian Guhr zeigt, was literarische Science-Fiction im besten Fall kann, während es sich in einer filmischen Umsetzung nur mit Riesenbudgets realisieren ließe: der Fantasie freien Lauf lassen.
Sebastian Guhr: Die Verbesserung unserer Träume. Roman. Luftschacht, 196 S., geb., 20,60 €.
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