Als MacArthur durchdrehte
Auf der koreanischen Halbinsel tobte der erste heiße Konflikt im Kalten Krieg
Sehnlichst hatten die Koreaner gehofft, das Ende des Zweiten Weltkrieges werde ihnen nach 36-jähriger japanischer Kolonialherrschaft endlich die Freiheit bescheren. Doch bereits vor Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde durch Japan am 2. September 1945 hatten sich die Siegermächte USA und Sowjetunion darauf verständigt, Korea entlang des 38. Breitengrads in zwei Besatzungszonen aufzuteilen und auf unbestimmte Dauer treuhänderisch zu verwalten. Nördlich des 38. Breitengrads hatte die Rote Armee das Sagen, südlich davon kontrollierten die USA das politische Geschehen. Washington verhalf dort dem eigens aus US-Exil nach Seoul eingeflogenen Dr. Rhee Syngman zur Macht - entgegen dem Willen der während des antijapanischen Krieges entstandenen Volkskomitees. Die Menschen staunten nicht schlecht, als anstelle der koreanischen Flagge das Sternenbanner in Seoul gehisst wurde und eine US-amerikanische Militärregierung gebildet wurde. Sie bestimmte, was die Koreaner südlich des 38. Breitengrads fortan zu tun und zu lassen hatten.
Vor allem die Volkskomitees waren der Besatzungsmacht im Süden ein Dorn im Auge. Im September 1946 erließ die US-Militärregierung Haftbefehl gegen namhafte kommunistische Führer. Diese setzten sich daraufhin in den Norden ab. Auch viele, die im Süden in der Kunst- und Kulturszene, im Literatur- und akademischen Betrieb Rang und Namen hatten, zogen es aufgrund zunehmender Repressionen vor, sich nördlich des 38. Breitengrads niederzulassen. Im Süden eskalierten gewaltsame Proteste, die sich in erster Linie dagegen richteten, dass pro-japanische Kollaborateure in Amt und Würden belassen und die Bauern gezwungen wurden, zusätzliche Abgaben zu leisten.
Anders verlief die Entwicklung im Norden der Halbinsel. Dort ließ die sowjetische Besatzungsmacht die Volkskomitees im Wesentlichen gewähren und warf ihr politisches Gewicht für die vormals im Grenzgebiet zur Mandschurei und der Sowjetunion operierende antijapanische Partisanentruppe um Kim Il-Sung in die Waagschale. Bereits im Frühjahr 1946 hatte der Norden ein sozialpolitisches Signal gesetzt: Eine Bodenreform verhalf über 700 000 besitzlosen Bauernfamilien zu Land.
Zunehmende Entfremdung und Separatwahlen führten schließlich dazu, dass am 15. August 1948 die Republik Korea (Südkorea) ausgerufen wurde und Kim Il-Sung im Gegenzug am 9. September 1948 in Pjöngjang die Gründung der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) proklamierte. Beide Staaten beanspruchten jeweils für sich, legitimer Sachwalter des einen Korea zu sein. Sah sich die Regierung in Seoul als »Vorposten der freien Welt und im Feldzug gegen den Kommunismus«, wähnte sich die Regierung in Pjöngjang als »Basis der koreanischen Revolution und als Bollwerk nationaler Befreiung«.
Bewaffnete Provokationen entlang der Demarkationslinie waren an der Tagesordnung und häuften sich seit der Jahreswende 1949/50. Der Süden verübte mehrfach militärische Angriffe nördlich des 38. Breitengrads. Ein Ziel dieser Attacken war die Halbinsel Ongjin, die, wenn sie eingenommen worden wäre, den Truppen Rhee Syngmans einen direkten und raschen Zugang zu Pjöngjang ermöglicht hätte. Beide Seiten massierten ihre militärische Kontingente.
Im Morgengrauen des 25. Juni 1950 überquerten dann nordkoreanische Panzereinheiten die Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrads. Ohne nennenswerte Gegenwehr rückten sie in Seoul ein und stießen binnen weniger Tage sogar bis kurz vor die Hafenstadt Busan im Süden vor. Noch am selben Tag brachten die USA den Vorschlag für eine Korea-Resolution in den UN-Sicherheitsrat ein. Die Vereinten Nationen stimmten umgehend der Forderung Washingtons zu, mit einem eigenen Truppenkontingent Rhee Syngman zu unterstützen und »die Aggression Nordkoreas« zu stoppen. So standen dem Süden Koreas die USA bei, die ihrerseits das Oberkommando über eine aus 15 Staaten bestehende UN-Streitmacht innehatten, worüber sich der damalige UN-Generalsekretär Trygvie Lie nicht erfreut zeigte.
In pausenlosen Einsätzen klinkte die US Air Force aus B-29-Bombern ihre tödliche Fracht aus. Der Oberbefehlshaber der kombinierten US- und UN-Streitkräfte, General Douglas MacArthur, sann öffentlich über den Einsatz atomarer und chemischer Waffen nach. Was Peking im Gegenzug veranlasste, eigene sogenannte Freiwilligenverbände zur Unterstützung Nordkoreas zu entsenden. Die »Pulverisierung« grenznaher chinesischer Städte, um den Krieg abzukürzen - das ging indes selbst US-Präsident Harry S. Truman zu weit. Nach einem Krisentreffen auf der Pazifikinsel Wake gab er am 11. April 1951 die Absetzung des Generals bekannt und schloss seine Erklärung mit den Worten: »Wir bemühen uns, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern.«
Erst nach zähen Verhandlungen kam es am 27. Juli 1953 in dem unwirtlichen Ort Panmunjom auf der Höhe des 38. Breitengrads zum Waffenstillstandsabkommen. Unterzeichnet wurde dieses lediglich von Emissären Nordkoreas und der Volksrepublik China sowie von den beiden US-Generälen William K. Harrison und Mark W. Clark im Auftrag der Vereinten Nationen. Südkoreas Präsident Rhee Syngman weigerte sich nicht nur, das Abkommen zu unterschreiben. Er wollte den Krieg fortsetzen. Erst als Washington einem bilateralen Sicherheitspakt zustimmte, sein in Südkorea stationierter Oberbefehlshaber auch die Kommandogewalt über die südkoreanischen Truppen übernahm und der südkoreanischen Seite beträchtliche Wirtschafts-, Finanz- und Militärhilfe in Aussicht gestellt wurden, erklärte sich Rhee bereit, die Waffenstillstandsklauseln wenigstens zu respektieren.
Von Dr. Rainer Werning, Politikwissenschaftler und Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien, erscheint demnächst ein mit der Koreanistin Helga Picht verfasstes Buch: »Brennpunkt Nordkorea« (Edition Berolina).
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