• Politik
  • Innere Sicherheit: SPD rückt näher zur Union

Was soll die AfD da noch meckern?

Schwarz ist die Farbe der »Sicherheit« - und die SPD-Führung macht mit

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Man fragt sich: Was wohl hätte die AfD anders gemacht? Sicher, die Rhetorik wäre gröber ausgefallen. Doch in ihrem tiefsten Inneren sollten Gauland & Co nicht allzu unzufrieden sein mit dem, was Schwarz und SPD-Rot zum Abbau von Demokratie und zur internationalen »Verantwortung« Deutschlands unterschrieben haben. Schon rein quantitativ ist die Absichtserklärung in einer Schieflage: Der Begriff »Sicherheit« findet sich in dem gut 170-seitigen Papier rund 170 Mal. »Freiheit« dagegen taucht nur gut 40 Mal auf. Wer nach Menschen- und Bürgerrechten sucht oder gar wissen will, wie die kommende Koalition gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus vorgehen will, wird nicht einmal mit allgemeinen Floskeln abgespeist. Terror in Deutschland ist im Vertragsentwurf islamistisch besetzt - auch wenn das so der Wirklichkeit nicht entspricht.

Dank der Hardliner-Vorarbeiten unter Thomas de Maizière (CDU) kann der kommende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nahtlos anschließen beim Ausbau der sogenannten inneren Sicherheit. 15 000 Stellen sollen bei den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern sowie 2000 in der Justiz geschaffen werden. Föderaler Staat war gestern, Zentralisierung wird vorangetrieben. Man will erneut Anlauf nehmen, um »keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit« zu dulden und dafür das in Rede stehende Musterpolizeigesetz vorlegen. Die internationale Kooperation soll ausgebaut, die mangelhafte Arbeit des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) verbessert werden. Erneut erweitert man die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das so oft so kläglich versagt und wider Recht und Gesetz gehandelt hat. Das Bundeskriminalamt gewinnt Macht, der Einsatz von Trojanern ist kein Streitthema mehr. Terrorkämpfer mit doppelter Staatsbürgerschaft können demnächst einfach ausgebürgert werden. Man einigte sich vor allem zur Flüchtlingsabwehr darauf, die DNA-Analyse auszubauen. Bisher darf das Erbgut in Strafverfahren nur analysiert werden, um Abstammung und Geschlecht festzustellen. Künftig soll sie auch das Alter und Merkmale wie Augen, Haar und Hautfarbe erfassen.

Bund und Länder sollen im Kampf gegen die Computerkriminalität enger zusammenarbeiten. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie wird gestärkt. Noch konnten sich Union und SPD nicht darauf verständigen, Cyberangriffe zurückzuschlagen, indem man fremde Server angreift. Außerdem will die mögliche kommende Regierung die Videoüberwachung »effektiv ausbauen« und private Sicherheitsbetriebe aufwerten. Wer behauptet, es gebe in der SPD noch Interesse am Ausbau von Bürgerrechten und demokratischer Teilhabe, kann sich nicht auf diesen Koalitionsvertrag stützen. Das wird gerade den Linken in der Partei übel aufstoßen.

Kontinuität ist auch ein Schlüsselwort im Bereich der äußeren Sicherheit. Die Passagen dazu lesen sich, als habe Ursula von der Leyen (CDU) - also die alte und neue Verteidigungsministerin - sie diktiert: »Unsere Politik basiert auf unseren Werten und dient unseren Interessen.« Oder: »Wir setzen uns für eine dauerhaft friedliche, stabile und gerechte Ordnung in der Welt ein.« Betont werden »Diplomatie, Dialog und Kooperation sowie Entwicklungszusammenarbeit«. Damit nicht jemand bei diesem »vernetzten Ansatz« auf gedankliche Irrwege gerät, heißt es: »In diesem Rahmen bleibt die Bundeswehr - wie im Weißbuch von 2016 dargelegt - ein unverzichtbarer Bestandteil deutscher Sicherheitspolitik.«

Nun sollen die Etats für Verteidigung und Entwicklungshilfe künftig in gleichem Maß steigen. Das klingt gut, ist aber Augenauswischerei. Man betrachte nur die unterschiedlichen Haushaltsvolumen. Und wer sich den im Vertragstext erwähnten und von Deutschland vorangetriebenen Ausbau der militärischen Fähigkeiten in den G5-Sahel-Staaten anschaut, ahnt, wie eng verzahnt deutsche Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungshilfepolitik sind. Es ist zu erwarten, dass der künftige Außenminister Martin Schulz wie sein Vorgänger Sigmar Gabriel einen guten Draht zu Ursula von der Leyen haben wird.

Man stehe »zu unseren Bündnisverpflichtungen und Allianzen«. Was bedeutet das? Man wolle transatlantisch bleiben und europäischer werden, zeigt allenfalls, dass die Verhandler noch immer höchst unsicher sind in der Bewertung der US-Politik. Dennoch will man »die vereinbarten NATO-Fähigkeitsziele erreichen und Fähigkeitslücken schließen«. Da ist nichts mehr von der im SPD-Wahlkampf aufscheinenden Kritik an dem Militärbündnis und dem von ihm verlangten Rüstungswahn.

Beschlossen ist: Mehr Personal, beste Ausbildung und moderne Ausstattung bei der Bundeswehr durch einen höheren Verteidigungsetat. Das wird vielen zu schwammig, denn es lässt das Verhältnis von Personal- zu Rüstungsausgaben offen. Beifall wird von der Leyen dagegen für den versprochenen Ausbau der gerade mit Frankreich begründeten EU-Verteidigungsunion PESCO samt EU-Verteidigungsfonds bekommen. Gerade weil die »Armee der Europäer« noch in weiter Ferne ist. Die Erweiterung der Einsätze in Afghanistan und Mali werden der Öffentlichkeit irgendwie untergeschoben mit dem Blabla-Wunsch nach einer Friedenslösung.

Nur selten glauben die aktuellen und künftigen Koalitionäre, Nebelkerzen werfen zu müssen. Beim Thema Atomwaffen versucht man es. »Ziel unserer Politik ist eine nuklearwaffenfreie Welt«, liest man. Rüstungskontrolle und Abrüstung blieben prioritäre Ziele. Zu vermeiden sei ein neues konventionelles und nukleares Wettrüsten auf unserem Kontinent. Neue Initiativen bei der Rüstungskontrolle und Abrüstung seien notwendig. Wie verträgt sich das mit der folgenden Aussage? »Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.« Klartext. Deutschland lebt weiter mit den US-Bomben auf seinem Territorium.

Versprochen wird, die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie »zu konsolidieren und zu fördern«. Wie anders kann das geschehen als durch Rüstungsexporte? Markig heißt es aber: »Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.« Es folgt das Schlupfloch: »Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben.« Ähnlich ist das mit den Kampfdrohnen. Dass die Bundeswehr welche bekommt, ist im Koalitionsvertrag verankert. Die Prüfung der völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen und ethischen Fragen bei Anschaffung, Entwicklung und bei ihrem Einsatz soll später erfolgen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.