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»Der Sport kontrolliert sich selbst«
Intransparenz und fehlende Unabhängigkeit: Zwei Antidopingagenturen kritisieren das IOC scharf
Die Olympischen Spiele sind nicht nur die größte Bühne der Athletinnen und Athleten. Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) nutzt die Winterspiele von Pyeongchang zur Selbstinszenierung und stellte sich vor wenigen Tagen als starker Antidopingkämpfer dar. Das vorolympische Testprogramm einer Task Force habe Tausende Proben genommen, was untermauern sollte, dass vor den Spielen in Südkorea alles getan wurde, um Betrüger auszusortieren.
Doch auch Kritiker können die Bühne Olympia gut nutzen, so auch die Nationalen Antidoping-Agenturen (NADA) von Deutschland und Österreich am Montag im Deutschen Haus. »Der Ansatz der Task Force ist richtig. Man hat aus den Fehlern von Rio gelernt, als festgestellt wurde, dass etwa 60 Prozent aller Olympiateilnehmer in Risikosportarten im Jahr vor den Spielen überhaupt nicht getestet worden waren«, fing die deutsche NADA-Vorsitzende Andrea Gotzmann mit versöhnlichen Tönen an. Allerdings fehlten Informationen darüber, wie, wann und wo getestet wurde. Überhaupt seien Intransparenz und fehlende Unabhängigkeit das größte Problem.
In Michael Cepic, Geschäftsführer der österreichischen NADA, hat sie einen Bruder im Geiste. »Stellen Sie sich vor, die Banken würden sich die Bankenaufsicht selbst aussuchen, und dieses Gremium würde wiederum an die Banken berichten. Das wäre inakzeptabel. Genau diese Situation haben wir aber im Sport. Der Sport kontrolliert sich selbst«, kritisierte Cepic und forderte, alle Kontrollen komplett vom Sport loszulösen und an die nationalen Agenturen zu übergeben. Außerdem müsse eine unabhängigere WADA gefördert werden. Die Welt-Antidoping-Agentur solle künftig selbst Betrüger bestrafen dürfen. Bis jetzt liegt das in den Händen der internationalen Verbände oder bei Olympia des IOC. »Hier ist die Politik gefordert, Druck auf den Sport zu machen, dass sich das ändert.«
Einige vor allem westliche Agenturen haben bereits einen Forderungskatalog verabschiedet, was sich an den Strukturen der WADA ändern muss. »Sie wird derzeit zu 50 Prozent vom IOC geprägt«, so Gotzmann. Und auch der neuen Internationalen Testbehörde ITA fehle die Unabhängigkeit vom Sport.
Ebenso unzufrieden zeigten sich beide NADA-Chefs damit, wie das IOC mit der Causa Russland umgegangen war. »Schon vor Rio gab es Last-Minute-Entscheidungen von den internationalen Fachverbänden, welche Athleten starten dürfen. Die waren völlig intransparent. Wir gingen davon aus, dass die Zeit danach genutzt wird, all das aufzuarbeiten, was in Sotschi passiert ist. Aber es wurden weitere Kommissionen einberufen, und die Zeit ist wieder davongelaufen«, so Gotzmann.
Dass bei der erdrückenden Beweislage am Ende das russische NOK gesperrt wurde, fand zwar ihre Zustimmung. »Danach folgte aber erneut ein intransparenter Prozess zur Auswahl der Athleten. Und nun sind hier 169 Sportler unter dem Namen ›Olympische Athleten aus Russland‹. Da fragen wir uns, ob diese Maßnahme dem aufgedeckten Betrugssystem wirklich gerecht gegenübersteht.« Dabei hätten die Russen weiter nicht eingestanden, das Dopingsystem betrieben zu haben. Sie würden weiter Hunderte Proben aus dem Moskauer Labor nicht zur Nachanalyse freigeben.
Und selbst bei den 169 angeblich sauberen Russen vor Ort könne sich letztlich niemand sicher sein, ob sie von der Task Force des IOC wirklich gut getestet worden seien, so Gotzmann: »Auch hier kennen wir die wichtigsten Informationen nicht, da die Transparenz fehlt. Wurden die Tests im Training oder Wettkampf durchgeführt? Waren es Zielkontrollen? Waren sie unangekündigt? Hatten Kontrolleure Zugang zu den ›geschlossenen Städten‹, der denen der WADA bislang verwehrt wurde? Was für Proben wurden genommen? Das sind alles offene Fragen, und so wissen wir nicht, ob diese Kontrollen bei vorher teilweise international unbekannten Athleten wirklich ausreichend waren.« In Peking, London und Sotschi sei so viel passiert, dass sie gut verstehen könne, wenn Sportfans bei den Russen skeptisch bleiben.
Die 156 deutschen Athleten seien im Jahr vor Olympia 657 Mal »unangekündigt und unberechenbar« kontrolliert worden, gab die NADA-Vorsitzende zu Protokoll. Manche bis zu zehn Mal. Dazu werden erstmals alle vorolympischen Proben aufbewahrt, um sie später mit besseren Labormethoden noch einmal testen zu können. Bis Ende Dezember hatte die NADA übrigens 460 Proben von Athleten aus Risikosportarten vergangener Spiele reanalysiert. »Es gab keine einzige positive Probe«, so Gotzmann.
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