• Politik
  • Cem Özdemir Rede zur AfD

Wenn die AfD nicht patriotisch genug ist

Maria Jordan über die fragwürdige Kritik Cem Özdemirs an der AfD

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Bundestag hat einen Antrag der AfD-Fraktion, Artikel des kürzlich aus der Haft entlassenen Journalisten Deniz Yücel zu missbilligen, abgeschmettert. Mit einer eindeutigen Mehrheit von 552 Stimmen votierten die Abgeordneten am Donnerstagabend dagegen.

Parlamentarier aus unterschiedlichen Fraktionen kritisierten den AfD-Vorstoß scharf. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki nannte den Antrag eine »intellektuelle Erbärmlichkeit«, der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci sprach von einem »peinlichen Antrag«. Zwischen den türkischen Präsidenten Erdogan, der Yücel eingesperrt habe, und die AfD-Fraktion passe kein Blatt, sagte Castellucci: »Beide mögen die Meinungs- und Pressefreiheit nicht leiden.« In den Medien und sozialen Netzwerken wird ein Beitrag aus der gestrigen Bundestagssitzung besonders gefeiert: Die Rede des Grünen-Politikers Cem Özdemir.

Redebeitrag von Cem Özdemir (B90/Grüne) am 22.02.2018 um 18:48 Uhr (14. Sitzung, TOP ZP 4)

Auch er fand klare Worte für die AfD, bezeichnete diese als »Rassisten« und riet den Rechtspopulisten, das Austeigertelefon für Neonazis anzurufen. So weit, so gut. Im Verlauf seiner Rede geht es Özdemir dann aber vor allem um »sein Land« – und seinen Nationalstolz. In fünf Minuten Rede schafft er es, allein zwölf Mal das Wort »Deutschland« unterzubringen, nicht mitgezählt die diversen Umschreibungen wie »unsere Heimat« und »unser Land«. Özedemir empört sich darüber, dass die AfD Deutschland verachte. Und wer »unsere gemeinsame Heimat so verachtet« wie die AfD, der solle nicht bestimmen dürfen, wer Deutscher sei und wer nicht.

Angestachelt von seinem offenbar glühenden Nationalstolz ist Özdemir nun nicht mehr zu bremsen und beginnt ein Patriotrismus-Battle mit den Rechtspopulisten. Während Abgeordnete aus anderen Fraktionen – übrigens nicht nur der AfD – teilweise in Gelächter ausbrechen, wirft Özedmir den Rechtspopulisten einen unechten Nationalstolz vor. Er vermutet, die AfDler drückten bei der Fußballweltmeisterschaft heimlich der russischen Nationalmannschaft die Daumen, und nicht »unserer«. Unverschämtheit!

In den Sozialen Medien wird der ehemalige Grünen-Chef für seine Rede gefeiert. NutzerInnen sprechen von der »Gänsehaut«, die seine Worte ausgelöst hätten, und loben den Politiker dafür, »Klartext« zu reden. Dass Özdemirs größtes Problem mit der AfD zu sein scheint, dass sie weniger patriotisch ist als er, wird hingegen wenig thematisiert. »Ist die Lage so verzweifelt, dass mensch eine ‘stolz-auf-Deutschland-und-stolz-auf die-deutsche-Nationalmannschaft’-Rede toll finden MUSS, weil keiner weiß, wie mensch sonst gegen die AfD argumentieren könnte?«, fragt die linke Publizistin und Aktivisten Jutta Ditfurth auf Twitter.

Özdemirs Hauptkritik an der AfD – dass sie »unser« ach so tolles Deutschland verachte – hinterlässt jedoch, mehr als die vorangegangen Reden der AfD, einen faden, nationalistischen Beigeschmack.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.