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Aufstieg durch die Chefetage
Südafrikas neuer Präsident Cyril Ramaphosa war Gewerkschafter und Geschäftsmann.
Es herrscht Aufbruchstimmung in Südafrika. »Unser Land ist in eine Ära des Wandels eingetreten«, erklärte der neue Präsident Cyril Ramaphosa am Freitag vergangener Woche in seiner Rede zur Lage der Nation im Parlament in Kapstadt. Einen Tag zuvor war der 65-Jährige an gleicher Stelle als Nachfolger des geschassten und mit schweren Korruptionsvorwürfen konfrontierten Ex-Staatschefs Jacob Zuma im Amt vereidigt worden. Von »Erneuerung« und einer »neuen Morgendämmerung« schreiben Südafrikas Zeitungen nun unisono.
Kritik am neuen Präsidenten ist verpönt. Wer etwas gegen Ramaphosa sagt, gerät schnell in Verdacht, der alten korrupten Führung nachzuhängen. Dabei war der neue Mann Teil derselben. Seit 2012 agierte er als Zumas Stellvertreter im ANC, seit 2014 auch auf Staatsebene - Zeit, die er nutzte, um neoliberale Arbeitsmarktreformen und einen Mindestlohn unterhalb der Armutsgrenze durchzusetzen. Und auch in punkto Verquickung von Unternehmens- und Staatsinteressen, die Zuma vorgeworfen wird, kann Ramaphosa durchaus Insiderkenntnisse vorweisen.
Dabei stand der als Geschäftsmann zum Rand-Milliardär aufgestiegene studierte Jurist, der heute nach Patrice Motsepe - seinem Schwager - als zweitreichster schwarzer Südafrikaner gilt, zunächst auf der anderen Seite der Barrikade. Wegen der Organisation einer Solidaritätsdemonstration für die mosambikanische Befreiungsbewegung FRELIMO 1974 und nach dem Polizeimassaker an protestierenden Schülern 1976 in Soweto wurde Ramaphosa zweimal für mehrere Monate inhaftiert. Seine politische Karriere begann dann als Gewerkschafter. Bei der Gründung der Bergarbeitergewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) 1982 wurde Ramaphosa Generalsekretär. Auch die Gründung des Gewerkschaftsbunds COSATU drei Jahre später ging wesentlich auf sein Engagement zurück. Der relativ junge Aktivist galt als geschickter Verhandlungsführer und vehementer Kämpfer für die Interessen der Kumpel. Letztlich war es auch die Stärke der Gewerkschaften, die das Apartheid-System in die Knie zwang.
Nach dem Sieg des ANC bei den ersten freien Wahlen 1994 folgte dennoch der Bruch in der Karriere Ramaphosas. Anders als zunächst angenommen, machte Nelson Mandela nicht ihn, sondern den kühlen Technokraten Thabo Mbeki zum Vizepräsidenten. Das Amt des Außenministers lehnte Ramaphosa laut der 2007 erschienenen Biografie des Politikwissenschaftlers Anthony Butler vergrämt ab. Stattdessen ging er in die Wirtschaft. Der Arbeiterführer wurde zum Geschäftsmann - und sammelte Unternehmensbeteiligungen wie andere Leute Briefmarken. Sein Portfolio reichte bald von McDonalds bis Coca-Cola, von Kohlegruben bis Diamantenminen und vom Papierproduzenten bis zum Mobilfunkanbieter. Als Startkapital diente das neue Gesetz zur ökonomischen Ermächtigung Schwarzer (Black Economic Empowerment, BEE), dem Ramaphosa in den Verhandlungen mit dem alten Regime selbst den Weg bereitet hatte. Es schrieb Unternehmen vor, Anteile an Schwarze zu vergeben. Bezahlt wurde meist erst im Nachhinein mit späteren Dividenden auf genau diese Aktienpakete - und mit politischem Einfluss.
»Cyril Ramaphosa ist der Poster-Boy des BEE, einem Deal zwischen weißem Kapital und dem ANC«, stellte der Mail & Guardian 2012 fest. Das war das Jahr, in dem das Bildnis Ramaphosas hässliche Flecken bekam. 34 streikende Bergarbeiter hatte die Polizei am 16. August 2012 am Rande der Kleinstadt Marikana erschossen. Schon in der Vorwoche waren bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zehn Menschen getötet worden. Ramaphosa saß zu dieser Zeit im Aufsichtsrat von Lonmin, dem drittgrößten Platinförderer der Welt, der die bestreikte Marikana-Mine betrieb. Der heutige Präsident war dort zudem seit 2010 Leiter des Transformationskomitees und verantwortlich für das Wohnungsbauprogramm des Konzerns.
Die miserablen Lebensbedingungen an den Minen, wo die Kumpel in Wellblechhütten oft ohne Strom und Wasser hausten und mehrheitlich bis heute hausen, waren ein Grund für den Streik. Lonmin hatte sich, um die Bergbaulizenz zu bekommen, verpflichtet, für seine Arbeiter bis 2011 insgesamt 5500 Häuser zu bauen. Zum Zeitpunkt des Streiks 2012 existierten ganze drei. Ramaphosa gab vor der Untersuchungskommission zum Massaker an, die entsprechenden Berichte nicht gelesen zu haben. Stattdessen schrieb er während des Streiks. Und zwar E-Mails an Regierungsoffizielle, in denen er zum entschiedenen Durchgreifen gegen die »hinterhältigen Kriminellen« (gemeint waren die Streikenden) aufrief. Er habe damit weitere Todesfälle verhindern wollen, behauptete Ramaphosa später, und entschuldigte sich lediglich für seine Wortwahl. Die Witwen der Ermordeten hat er bis heute nicht besucht.
Die linke Opposition wird seine Rolle bei Lonmin wieder zur Sprache bringen, sobald die Euphorie über Zumas Abgang und den propagierten Neuanfang verflogen sind, daran ließ deren Chef Julius Malema schon vor der offiziellen Vereidigung keinen Zweifel. Dem Wanderer Ramaphosa dürfte dann noch manch schwerer Gang bevorstehen.
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