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Vieles bleibt beim Alten
Politische und gesellschaftliche Themen spielten bei der 90. Oscar-Gala in Hollywood nur eine Nebenrolle
Die Zuschauer im Saal und an den Fernsehbildschirmen halten den Atem an. »An alle weiblichen Nominierten: Steht bitte mit mir auf«, fordert die 60-Jährige die Anwesenden auf. Und als unter euphorischem Jubel die wenigen nominierten Frauen aufstehen, wird mit einem Schlag das Ungleichgewicht dieser Oscar-Show klar: Nachdem Hollywood monatelang von Missbrauchsvorwürfen und Debatten um mehr Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten erschüttert worden war, bleibt bei diesen Oscars doch vieles beim Alten.
Werden die Preise den Wunsch nach mehr Vielfalt widerspiegeln? Und welche Rolle werden die drängenden politischen und gesellschaftlichen Themen spielen? Diese Fragen hatten sich vorab viele gestellt. Der große Paukenschlag aber blieb bei der 90. Oscar-Verleihung aus. Die Show wirkte, als habe jemand die Handbremse angezogen. Bis auf einen Einspieler, der für mehr Vielfalt im Filmgeschäft plädierte, schien alles mit Vorsicht geplant und einstudiert. Die erste Show nach dem spektakulären Fall von Produzentenmogul Harvey Weinstein kam brav, wenn nicht sogar behäbig daher.
McDormand allerdings legte noch nach und gab mit einer Anspielung Rätsel auf. Sie habe zwei Worte für das Publikum, sagte sie am Ende ihrer Dankesrede: »Inclusion rider«. Im Netz machte schnell der Hashtag inclusionrider die Runde. Später erklärte die Schauspielerin, was sie damit meinte: Es gehe um eine Vertragsklausel (inclusion rider), der zufolge man bei der Besetzung von Rollen oder der Anstellung von Mitarbeitern bei Drehs mehr Vielfalt verlangen könne. Man könne also darauf pochen, dass bei Filmprojekten mehr Frauen oder Minderheiten beschäftigt werden. »Es gibt kein Zurück mehr«, sagte McDormand Backstage. Hollywood stehe eine echte Veränderung bevor.
Viele Gäste hatten sich zur Oscar-Feier zwar »Time’s Up«-Nadeln angesteckt und zeigten sich auf diese Weise solidarisch mit der Bewegung gegen sexuellen Missbrauch. Doch dann war es vor allem Moderator Jimmy Kimmel, der ein paar böse Spitzen verteilte. »Oscar ist derzeit der beliebteste und am meisten respektierte Mann«, witzelte der 50-Jährige und ergänzte: »Er hält seine Hände dort, wo man sie sehen kann.« Er sei nie unflätig und man sehe keinen Penis. »Das ist ein Mann, von dem wir mehr in dieser Stadt brauchen.« Viel mehr als diese gut dosierte Kritik gab es nicht. Anders als bei den Golden Globes wurde US-Präsident Donald Trump mit keinem Wort erwähnt.
Allerdings wollen die Oscars gar keine politische Veranstaltung sein. Vielmehr sollen mit Hollywoods höchster Auszeichnung traditionell die Filme und herausragende Leistungen gewürdigt werden. Diesem Anspruch wurde die Gala gerecht. Immerhin gewann mit »Shape of Water - Das Flüstern des Wassers« das fantasievollste, einfallsreichste und originellste Werk die Trophäe als bester Film. Der Mexikaner Guillermo del Toro wurde für seine Kinovision und die Erschaffung dieses Fantasy-Märchens gleich noch als bester Regisseur geehrt; zwei weitere Preise gab es für die Filmmusik und das Produktionsdesign.
Den einen großen Gewinner suchte man jedoch vergebens. Stattdessen wurden die Preise an viele verschiedene Filme verteilt: So jubelten Frances McDormand und Sam Rockwell über die Trophäen als beste Hauptdarstellerin beziehungsweise bester Nebendarsteller in dem gesellschaftskritischen Beitrag »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri«. Gerd Nefzer nahm als einziger Deutscher in diesem Jahr die begehrte Auszeichnung für die visuellen Effekte an dem Science-Fiction-Spektakel »Blade Runner 2049« entgegen. Und Regisseur und Autor Jordan Peele schrieb Oscar-Geschichte, als er als erster Afro-Amerikaner den Preis für das beste Drehbuch zu Horror-Komödie »Get Out« gewann.
Nach einem turbulenten Jahr für die Filmindustrie blieb die Oscar-Verleihung insgesamt aber hinter den Erwartungen zurück. »Die Welt sieht uns zu, wir müssen ein Beispiel setzen«, hatte Moderator Kimmel anfangs noch gesagt und damit auch auf die Forderungen nach mehr Vielfalt angespielt. Viel trugen die Oscars selbst nicht dazu bei. Stattdessen muss sich in den nächsten Monaten und Jahren nun zeigen, dass all diese Diskussionen und Debatten nicht nur Lippenbekundungen sind, sondern dass sich in Hollywood tatsächlich auch nachhaltig etwas verändert.
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