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- Assad und Afrin
Den politischen Preis für die kurdische Autonomieverwaltung in die Höhe treiben?
Über das begrenzte Engagement des Baath-Regimes in Afrin
Seitdem die türkische Invasion auf Afrin begann, erzielen die kurdischen Verteidiger_innen, zum Teil bedeutende Abwehrerfolge. Die Verluste der Angreifer sind beträchtlich. Allerdings arbeitet sich die türkische Offensive insgesamt beständig vor. Zudem ist festzuhalten, dass der Angriff mit einer eher geringen Anzahl von Bodenkräften begann, dafür lag und liegt ein umso größerer Schwerpunkt auf Luftangriffen und insbesondere Artilleriebeschuss – auch von Afrin-Stadt.
Was inzwischen stattfindet, kann wohl am besten als Belagerungskrieg aus der Distanz bezeichnet werden – samt Zivilbevölkerung als Ziel. Das Zermürben im Belagerungskrieg bildet eine Voraussetzung für einen späteren Vorstoß mit Bodentruppen. Spezialkräfte dafür wurden bereits zusammengezogen. Was auf dem ersten Blick wie eine stockende türkische Offensive aussieht, kann also ebenso gut als eine fein sequenzierte Kampagne aufgefasst werden. Eigene Verluste kann die türkische Regierung verschmerzen, solange sie sich auf syrische Dschihadisten konzentrieren, die das Gros der eingesetzten Bodenkräfte bilden. Denn die türkische Bevölkerung empfindet wenig Empathie für sie.
Axel Gehring ist Politikwissenschaftler aus Marburg. Seine Veröffentlichungsschwerpunkte sind Türkei und EU-Außenbeziehungen.
Foto: privat
All dies macht die Lage für die Verteidiger_innen Afrins ernst, es geht um den Bestand des kurdischen Kantons. Zudem hat die türkische Regierung offen erklärt, dass sie an die Ansiedlung arabischer Bevölkerung in Afrin denkt – ethnische Säuberung ist zu befürchten. Derweil kann auf Dauer nur wirksamer internationaler Druck helfen, die Offensive einzustellen. Den aber gibt es bislang nicht. Für die kurdische Autonomieverwaltung schien eine taktische Zusammenarbeit mit der Zentralregierung in Damaskus lange Zeit eine gangbare Alternative zu sein. Von der Anwesenheit syrischer Regierungstruppen in Afrin erhoffte sie Unterstützung gegen die türkische Invasion. Und am 18. Februar einigten sich beide Seiten darauf, syrische Truppen nach Afrin zu entsenden.
Dieser Schritt hat gerade im Ausland und bei den zivilgesellschaftlichen Solidaritätsbewegungen zu heftigen Kontroversen darüber geführt, ob die Entscheidung die Aufgabe des politischen Autonomieprojektes bedeute und allzu leichtfertig gefällt worden sei. Vor dem Hintergrund des immensen militärischen Drucks auf Afrin kann von Leichtfertigkeit jedoch keine Rede sein. Ebenso sind bislang keine politischen Zugeständnisse bekannt geworden.
Bislang kam es weder zur Entsendung syrischer Regierungstruppen noch zu umfangreichen Abtretungen von Selbstverwaltungsrechten an das Baath-Regime in Damaskus: Ein paar hundert Milizionäre der NDF (National Defence Forces) trafen Afrin ein, um an Seite der kurdischen YPG und YPJ Milizen gegen die türkische Invasion zu kämpfen. Bereits auf dem Weg ins Kampfgebiet wurden sie zum ersten Mal von der türkischen Luftwaffe angegriffen und befinden sich seither immer wieder im Gefecht am Boden. Allerdings macht es einen großen Unterschied, ob Damaskus eine regierungstreue Miliz entsendet, oder seine regulären Streitkräfte: Ankara betrachtet die NDF schlicht nicht als Regierungstruppen und greift sie an. Damaskus missbilligt dies, bewertet es aber nicht, wie Angriffe auf »eigene« Regierungstruppen. Das begrenzt das Eskalationspotential zwischen beiden Regierungen, doch die NDF allein vermögen die Offensive nicht zu stoppen.
Stärker auf die Entwicklungen am Boden wirkten womöglich die wenigen Tage, in denen Russland (im Streit mit der Türkei um Idlib) den Luftraum über Afrin sperrte. Denn die Invasoren sind auf Luftunterstützung angewiesen – nicht nur in Form von Bombardierungen, sondern als Aufklärung für ihre ausgedehnten Artillerieangriffe. Für das Baath-Regime wäre die Wiederherstellung der Luftabwehr nicht zwingend attraktiv, denn sie ist nicht unbedingt mit einer Bodenpräsenz in Afrin verbunden, die starken politischen Einfluss sichern würde. Wohl aber mit Risiken: Würde Damaskus den Luftraum sperren, so befände es sich dort im Zweifel in unmittelbarer Konfrontation mit der Türkei und das zu einem Zeitpunkt, da es sich auf laufende Kampagnen (zum Beispiel in Ghouta) konzentriert und die Kräfte für kommende (zum Beispiel Idlib) sammelt.
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Wollte die kurdische Autonomieverwaltung Damaskus tatsächlich zu einem solchen Schritt bewegen, so müsste sie gegenüber Assad deutlich größere Zugeständnisse erbringen als bislang. Es ist müßig zu spekulieren, ob ausschließlich Interessendifferenzen zwischen Moskau und Damaskus ein größeres militärisches Engagement von syrischen Regierungstruppen in Afrin verhindert haben. Russland machte dagegen Bedenken geltend, fürchtete es doch eine direkte Konfrontation zwischen türkischen und syrischen Truppen. Aber auch die syrische Zentralregierung scheint Gründe zu haben, derzeit in Afrin kein Abenteuer zu wagen, solange sie im Gegenzug keine Zugeständnisse seitens der kurdischen Autonomieverwaltung erhält. Deren Verhandlungsposition gegenüber dem Regime verschlechtert sich derweil mit jedem Tag der türkischen Offensive.
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